Change Agents – Wie Lehrkräfte den Schulwandel gestalten
Lehrkräfte als Change Agents begleiten Veränderungsprozesse an Schulen – doch dafür ist die Unterstützung der Schulleitung entscheidend.

Lehrkräfte können als Change Agents Schulentwicklung aktiv mitgestalten – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Lea Bauer hat sich genauer angeschaut, wie Schulleitungen dabei unterstützen können, welche Rolle Zusammenarbeit und Professionalisierung spielen und warum Change Agents für die Zukunftsfähigkeit von Schulen unverzichtbar sind.
In vielen Lehrerzimmern herrscht ein Gefühl der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins. Lehrkräfte erleben sich häufig als überfordert, übergangen oder überrumpelt – insbesondere dann, wenn schulische Veränderungen umgesetzt werden sollen und ausgerechnet sie, die Lehrkräfte, diese Neuerungen als vermeintliche Befehlsempfänger umsetzen sollen.
Dabei sind es gerade die Lehrkräfte, denen bei Schulentwicklungsprozessen nachweislich die größte Wirkungskraft zugesprochen wird – auch wenn sie sich selbst mitunter eher als passive Ausführende von Reformen empfinden. Sind jedoch die nötigen persönlichen wie auch strukturellen Voraussetzungen gegeben, können Lehrkräfte tatsächlich zu wirksamen Change Agents werden.
Wie Lehrkräfte in die Rolle aktiver Gestalter schulischer Veränderung hineinwachsen und sich auch selbst so wahrnehmen können, wie sie dabei von Schulleitungen unterstützt, gefördert oder überhaupt erst in ihrem Potenzial erkannt werden – das möchte dieser Text aufzeigen.
Change Agents verändern Schule
Change Agents treiben Veränderungsprozesse voran, indem sie innovative Ideen einbringen, Widerstände abbauen und andere für den Wandel begeistern. Insbesondere Lehrkräften kommt dabei eine zentrale Rolle zu: Sie gestalten den Unterricht, beeinflussen maßgeblich das Lernen sowie die Leistung der Schülerinnen und Schüler und wirken damit unmittelbar auf den schulischen Erfolg ein. Ein wesentlicher Aspekt ihrer Wirksamkeit liegt in ihrer Grundhaltung: Sie glauben daran, dass jede Schülerin und jeder Schüler lernen kann – und richten ihren Fokus konsequent auf deren Lernentwicklung. Sie bauen tragfähige Beziehungen auf, die es ihnen ermöglichen, gezielt auf individuelle Bedürfnisse einzugehen und wirksame Unterstützung zu bieten.
Change Agents zeichnen sich durch eine offene, positive Haltung gegenüber Veränderung aus, die sie insbesondere dann aktiv gestalten, wenn sie darin einen klaren Mehrwert für die Schülerinnen und Schüler erkennen. Dabei reflektieren sie kontinuierlich ihr eigenes Handeln, kennen ihre Möglichkeiten wie auch ihre Grenzen und agieren mit einer ausgeprägten lernorientierten Haltung.
Darüber hinaus prägen sie die Schulkultur, indem sie Überzeugungen und Einstellungen von Kolleginnen, Kollegen und Eltern hinterfragen und weiterentwickeln. Dafür engagieren sie sich überdurchschnittlich, zeigen Risikobereitschaft, investieren viel Zeit und bringen vielfältige Initiativen ein.
Auch auf systemischer Ebene können Change Agents Veränderungen anstoßen – etwa durch die Mitwirkung an curricularen Entwicklungen oder bei der Umsetzung von Bildungsreformen. Wie erfolgreich Change Agents sind, hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab – darunter ihre Professionalisierung, die Zusammenarbeit im Kollegium, das Handeln der Schulleitung und die administrativen Rahmenbedingungen.
Voraussetzungen für erfolgreiche Change Agents
- Professionalisierung
Lehrkräfte können als Change Agents besonders wirksam sein, wenn sie Zugang zu gezielten Weiterbildungen und persönlicher Entwicklung erhalten. Diese sollten nicht nur fachliche und pädagogische Inhalte abdecken, sondern auch Führungsfähigkeiten fördern. Neben klassischen Fortbildungen spielen auch Netzwerke eine entscheidende Rolle, da sie den Wissenstransfer erleichtern und Innovationen im Unterricht unterstützen. Eine besonders effektive Form der kontinuierlichen Weiterbildung sind „Professional Learning Communities“ – sie basieren auf gegenseitigem Vertrauen, Respekt und kollegialer Unterstützung.
- Schulleitungshandeln
Schulleitungen haben eine Schlüsselrolle darin, Lehrkräfte als Change Agents zu befähigen. Veränderungen gelingen besonders dann, wenn Lehrkräfte Vertrauen und Autonomie erhalten – etwa durch eigene Gestaltungsspielräume oder die Einbindung in Entscheidungsprozesse. Dies fördert eine Kultur der Risikobereitschaft und des explorativen Arbeitens.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das organisationale Lernen. Das Konzept „Leadership for Learning“ beschreibt eine Schule als lernende Organisation, in der der Austausch über Lernen gefördert und Führungsverantwortung geteilt wird – nicht nur auf Unterrichtsebene, sondern auch für das Lernen der Lehrkräfte und die Entwicklung der gesamten Schule (Tulowitzki & Pietsch, 2020).
- Administrative Rahmenbedingungen
Damit Lehrkräfte als Change Agents erfolgreich agieren können, müssen auch die administrativen Rahmenbedingungen unterstützend gestaltet sein. Schulleitungen können dies beispielsweise durch eine flexible Stundenplangestaltung oder zeitliche Freiräume ermöglichen, die eine bessere Zusammenarbeit im Kollegium fördern.
- Die Bedeutung von Zusammenarbeit
Zusammenarbeit und Austausch sind ebenfalls entscheidend für den Erfolg bei der Einführung von Veränderungen. Fehlen sie, kann das die Möglichkeiten von Change Agents verringern. Konkret äußert sich gute Zusammenarbeit bereits in einer besseren Kommunikation. Durch Zusammenarbeit entstehen breitere Perspektiven; zudem können Mauern zwischen Fachschaften abgebaut werden. Außerdem kann die Kluft zwischen Generationen abgebaut werden und jüngere Lehrkräfte können von der Erfahrung der älteren profitieren.
- Mögliche Handlungsanweisungen für Lehrkräfte und Schulleitungen
Schulleitungen haben zumindest in Teilen die Verantwortung und die Bevollmächtigung dafür, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die vorangegangen vier Aspekte zum Tragen kommen und Lehrkräfte befähigt werden, Schule aktiv zu gestalten. Konkret zeigt sich unterstützendes Schulleitungshandeln darin, dass Schulleitungen aktiv zuhören, ermutigen und zugleich herausfordern. Sie bringen Vertrauen zum Ausdruck und teilen Verantwortung, indem sie beispielsweise Entscheidungsbefugnisse an Lehrkräfte delegieren.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Bereitstellung zeitlicher Ressourcen für kollegiale Zusammenarbeit – beispielsweise durch gezielte Unterrichtsentlastung. Darüber hinaus können Schulleitungen die Professionalisierung ihres Kollegiums aktiv mitgestalten: einerseits, indem sie über Fort- und Weiterbildungsangebote informieren und deren Teilnahme ermöglichen; andererseits, indem sie selbst fachliche Impulse setzen und schulische Entwicklungsthemen initiieren oder begleiten.
Lehrkräfte können die so gewonnenen zeitlichen Freiräume gezielt dafür nutzen, ihre persönliche Professionalisierung voranzutreiben und den Austausch sowie die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen zu intensivieren. Gerade deshalb ist es entscheidend, die wechselseitigen Beziehungen zwischen Professionalisierung, Zusammenarbeit, administrativen Rahmenbedingungen und dem Handeln der Schulleitung in den Blick zu nehmen: So sind Professionalisierungsmaßnahmen zum einen die Antwort auf das Bedürfnis von Change Agents, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Andererseits können sie den Blick für notwendige Veränderungen schärfen – und Lehrkräfte überhaupt erst in die Rolle von Change Agents hineinwachsen lassen. Ähnlich verhält es sich mit der Zusammenarbeit. Sie ist zentral für die Umsetzung von Veränderungsprozessen und zugleich Ziel von Veränderungen: Kollegialität wird zum Positiven verändert, wenn sie stattfindet.
Unsere Gesellschaft befindet sich in einem stetigen Wandel. Um Schülerinnen und Schüler auf eine zunehmend komplexe Welt vorzubereiten, müssen sich auch Schulen anpassen – die Tätigkeit von Change Agents ist dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor.