Dark Romance: Schulen müssen Medien- und Sexualkompetenz fördern

New-Adult-Bücher können weibliche Selbstermächtigung fördern, wenn Fantasie und Realität klar getrennt bleiben. Frühe sexuelle Bildung ist dabei entscheidend

Genres wie Dark Romance, die romantische Beziehungen mit düsteren Elementen wie Obsession oder Gewalt verknüpfen, sind aus der Buch- und Medienwelt nicht mehr wegzudenken. Trotz großer Beliebtheit warnen Kritiker:innen vor den darin erzählten toxischen Beziehungsmustern. Medienpsychologin und Sexualforscherin Prof. Dr. Nicola Döring erklärt, warum das nicht immer problematisch ist und warum eine fundierte sexuelle und mediale Bildung für Jugendliche unerlässlich ist.

Redaktion: Frau Professorin Döring, unter jungen Menschen beobachten wir seit einigen Jahren eine neue Begeisterung für das Lesen. Das ist hinsichtlich der Lesekompetenz eine positive Entwicklung. Welche Genres und Inhalte stehen dabei besonders im Fokus?

Prof. Dr. Nicola Döring: Es stimmt, dass sich ein Teil der jungen Menschen in ihrer Freizeit wieder verstärkt dem Lesen widmet. Das gilt vor allem für Mädchen und junge Frauen. Ein wichtiger Motor dieser Entwicklung sind die Buch-Communitys auf sozialen Medien. Unter buchbezogenen Hashtags wie #BookTube auf YouTube oder #BookTok auf TikTok tauschen sich die Bücherfans tagtäglich über ihre Bücherliebe aus: Sie teilen ihre Lektüreerfahrungen, geben einander Buchtipps, präsentieren sich vor ihren beeindruckenden Privatbibliotheken und schwärmen von ihren Lieblingscharakteren. Dieses Gemeinschaftserleben steigert den Spaß am Lesen.  

Dabei geht es vor allem um Unterhaltungsliteratur mit alterstypischen Themen wie Erwachsenwerden, Identitätsfindung, mentale Gesundheit, Freundschaft, Gemeinschaft und Liebe. Im Buchhandel läuft Jugendliteratur für die Zielgruppe der 12- bis 17-Jährigen heute unter dem Genrebegriff Young Adult, während Bücher für junge Erwachsene im Alter von 18 bis 29 Jahren in die Sparte New Adult fallen. 

Redaktion: In vielen dieser Bücher stehen Liebesgeschichten im Vordergrund. Besonders beliebt sind Dark Romance-Reihen. Welche Bedeutung hat dieses Genre innerhalb der aktuellen Jugend- und jungen Erwachsenenliteratur?

Döring: Liebe, Lust und Leidenschaft gehören zu den prägenden Themen des Erwachsenwerdens. Es ist daher naheliegend, dass sie auch in der Literatur für Jugendliche und junge Erwachsene eine zentrale Rolle spielen. Während die Jugendliteratur solche Themen oft noch zurückhaltender behandelt, sind in New-Adult-Büchern explizitere Darstellungen von Sexualität zu finden. 

So haben sich in der New-Adult-Sparte verschiedene Untergattungen des Liebesromans etabliert. Dazu gehören der klassische Liebesroman (Romance), in dem die Heldin am Ende den idealen Schwiegersohn heiratet, sowie der Sport-Liebesroman (Sports Romance), in dem sie sich etwa in den Eishockeyspieler verliebt. Im fantastischen Liebesroman (Romantasy) stehen Beziehungen zu übernatürlichen Wesen wie Vampiren im Mittelpunkt, während der erotische Liebesroman (Erotic Romance) den Schwerpunkt auf die Darstellung leidenschaftlicher Szenen legt.  

Eine besonders populäre, aber auch kontrovers diskutierte Form des zeitgenössischen Liebesromans für junge Erwachsene ist Dark Romance. Diese dunklen Liebesromane thematisieren grenzwertige Beziehungskonstellationen. Die Protagonistinnen sind unterwegs mit Berufsverbrechern, Psychopathen, Mafiabossen oder Mitgliedern von Motorradgangs. Diese männlichen Figuren wirken bedrohlich und gleichzeitig begehrenswert. Die Romanhandlung ist nicht geprägt von romantischen Dates, sondern von dramatischen Machtspielen, in denen Kellerverliese, Messer, Fesseln und Schusswaffen ebenso eine Rolle spielen wie leidenschaftliche Küsse, schamlose Dialoge, lustvolle Berührungen und weibliche Orgasmen.

„Es ist ein großes Missverständnis zu glauben, dass Dark Romance, eine Literaturgattung, die hauptsächlich von Frauen geschrieben und von Frauen gelesen wird, Gewalt "glorifiziere".“

Prof. Dr. Nicola Döring

Redaktion: Kritische Stimmen warnen, dass Dark-Romance-Bücher toxische Beziehungsmuster und nicht-konsensuellen Sex romantisieren sowie stereotype Geschlechterrollen verfestigen. Sie forschen zu Sexualität und weiblicher Lust – wie blicken Sie auf Dark Romance?

Döring: Um Dark Romance zu verstehen, müssen wir von den jungen Leser:innen, ihren Lebenswelten und Leseinteressen ausgehen. Diese sind natürlich unterschiedlich. Manche Leser:innen möchten sich in Heile-Welt-Romanzen vertiefen und greifen zu klassischen Liebesromanen. Andere finden es spannender, wenn in ihrer Freizeitlektüre das auftaucht, was sie im realen Leben begleitet und beschäftigt, etwa die allgegenwärtige Bedrohung durch Gewalt ebenso wie die Sehnsucht nach Liebe und Leidenschaft; sie lesen dann eher Dark Romance. Denn zum Alltag von Mädchen und Frauen gehören Erfahrungen mit sexueller Belästigung, Bedrohung und Übergriffen leider dazu. In der Realität sind Liebe und Gewalt eng verknüpft: Viele Mädchen erleiden Gewalt in der Familie, vom Freund oder Ex-Freund, haben auf jedem nächtlichen Heimweg Angst vor einer Vergewaltigung. Daher sind Geschichten interessant, die diese Themen aufgreifen. Es ist ein großes Missverständnis zu glauben, dass Dark Romance, eine Literaturgattung, die hauptsächlich von Frauen geschrieben und von Frauen gelesen wird, Gewalt „glorifiziere“. Stattdessen thematisiert Dark Romance Gewalt im Zusammenhang mit Liebe und Sexualität aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Redaktion: Können Sie das genauer beschreiben?

Döring: Dark-Romance-Klassiker wie „Captive in the Dark“ (C.J. Roberts) oder „Haunting Adeline“ (H.D. Carlton) sind in der Regel Transformationsgeschichten: Die Heldin befindet sich in einer gefährlichen, kaputten Welt, wird entführt oder verfolgt, erlebt traumatisierende Szenen. Aber sie ist kein hilfloses Opfer, sondern kann sich immer wieder aus der Gefahr befreien und Stärke entwickeln. Der Hauptprotagonist, der zunächst als Gewalttäter – etwa als Entführer oder Stalker – auftritt, erweist sich oft selbst als Gewaltopfer. Er ist typischerweise ein moralisch zwiespältiger Charakter, da er einerseits die Heldin vor anderen Bösewichten in den finsteren Romanwelten beschützt, andererseits sie selbst bedroht. Doch im Verlauf der nicht selten über mehrere Bände erzählten Geschichten wird er in der Regel geläutert. Er entwickelt Empathie, verhält sich einvernehmlich, so dass sich über viele dramatische Wendungen und Hunderte von Seiten hinweg ein gesundes Beziehungsmuster zwischen der Romanheldin und dem Hauptprotagonisten entwickelt. Beide finden trotz ihrer Gewalterfahrungen zueinander.  

Die Botschaft lautet hier also nicht, dass Gewalt etwas Tolles ist. Die Botschaft lautet eher, dass auch in einer gewalttätigen Welt und nach schlimmen Erfahrungen von Gewalt immer noch Rettung und Liebe möglich sind. Die fiktionale Romanwelt liefert Hoffnung und ein Happy End. Und sie bietet auch Entlastung, etwa wenn in den Romanwelten grausame Rache an Missbrauchstätern und Vergewaltigern verübt wird, teilweise von der Romanheldin selbst. Da Gewaltopfer in der Realität oft nicht gehört werden und keine Gerechtigkeit erfahren, können fiktionale Rachefeldzüge kathartisch wirken. Sie sind aber natürlich moralisch grenzwertig. Dark Romance scheut vor drastischen und übersteigerten Gewaltszenen nicht zurück und zeigt damit, dass auch schreckliche Erfahrungen besprechbar sind.

Redaktion: Ähnlich kontrovers wie die Gewaltdarstellungen werden die expliziten Sexszenen in Dark-Romance-Büchern diskutiert. Wie blicken Sie auf diesen Vorwurf?

Döring: Sehnsüchte nach Leidenschaft werden aus einer Female-Gaze-Perspektive detailliert geschildert, jenseits der Norm weiblicher Zurückhaltung und Sittsamkeit. Die männlichen Protagonisten treten in den fiktionalen Romanwelten als attraktive, wohlriechende und versierte Liebhaber auf, die sich hingebungsvoll der sexuellen Befriedigung der Heldin widmen. Dabei greift Dark Romance unter anderem die bei vielen Frauen beliebten Fantasien von Kontrollverlust und Überwältigung auf. Im Safe Space der eigenen Fantasie oder selbstgewählter fiktionaler Geschichten können angstbesetzte Situationen gleichzeitig lustvoll sein. Das bedeutet aber keinesfalls eine Akzeptanz oder Befürwortung realer Übergriffe. Auch hier lotet das Genre Grauzonen aus und thematisiert Aspekte des Begehrens, die schambehaftet sind. So fragen sich nicht wenige Buchfans schuldbewusst: „Bin ich eine schlechte Feministin, weil ich gerne Dark Romance lese?“.  

Dark Romance ist – wie jede Gattung der Unterhaltungsliteratur – klischeebehaftet, will keine pädagogische Belehrung und keine soziologische Analyse liefern, sondern spannende und erotische Storys bieten für diejenigen Leser:innen, die sich für diese Themenwelt interessieren. Dabei sind die Transformationsgeschichten inhaltlich wesentlich komplexer als es eine simplifizierende Kritik nahelegt, die der Gattung Romantisierung von Gewalt vorwirft. Denn Dark Romance behandelt verschiedene Aspekte von Liebe, Leidenschaft und Gewalt: Es geht um die zerstörerische Kraft von Gewalt, die Angst vor Gewalt, die Abscheu vor Gewalttätern, gewalttätige Rache, den Reiz von Überwältigung und die heilende Kraft von Liebe. Dark Romance verweigert sich oft einer klaren Aufteilung der Welt in Gut und Böse, Opfer und Täter, sondern verweist immer wieder auf die Grauzonen. Und solche Grauzonen gibt es auch im realen Leben.

„Jugendliche können zwischen fiktiven Medienwelten, die zu Unterhaltungszwecken konstruiert sind, und der Alltagsrealität durchaus unterscheiden. Und zwar umso besser, je mehr Medienbildung sie erhalten haben.“

Prof. Dr. Nicola Döring

Redaktion: In der öffentlichen Diskussion wird immer wieder davor gewarnt, die Lektüre von Dark Romance könne dazu beitragen, dass Leser:innen Gewalt als legitimen oder normalen Bestandteil romantischer Beziehungen interpretieren. Was weiß die heutige Medienwirkungsforschung darüber wie Rezipient:innen problematische Inhalte – etwa Gewalt oder sexualisierte Szenen – verarbeiten?

Döring: Das Reiz-Reaktions-Modell der Medienwirkung geht davon aus, dass gewaltvolle oder sexualisierte Inhalte das Realitätsbild der Rezipient:innen verzerren und als Vorbilder wirken: Mediale Inszenierungen erscheinen normal oder erstrebenswert und werden möglicherweise nachgeahmt. Diese Annahmen gelten heute jedoch als theoretisch überholt und empirisch kaum belegt. 

Die moderne Medienwirkungsforschung setzt stattdessen auf Modelle dynamischer Wechselwirkungen. Sie betont, dass Medienbotschaften unterschiedlich verstanden werden und Rezipient:innen aktive Beteiligte sind: Sie wählen Inhalte gezielt, deuten Figuren individuell und tauschen sich kritisch aus. Besonders bei dunklen Liebesgeschichten ist unklar, welche Botschaften Rezipient:innen mitnehmen – etwa ob Entführung romantisiert wird oder ob sexuelle Kommunikation im Vordergrund steht. 

Die Theorie der narrativen Transportation beschreibt das Eintauchen in Geschichten als Zusammenspiel von Text, individueller Disposition und sozialem Kontext. Problematische Effekte sind möglich – etwa die Vorstellung, dass härtere Sexualpraktiken verbreitet und ohne Absprache üblich seien. Zugleich können solche Geschichten dazu anregen, sich mit eigenen Wünschen und Ängsten auseinanderzusetzen oder über Sexualität ins Gespräch zu kommen.

Redaktion: Was bedeuten diese medienpsychologischen Theorien konkret in Bezug auf Dark Romance?

Döring: Jugendliche können zwischen fiktiven Medienwelten, die zu Unterhaltungszwecken konstruiert sind, und der Alltagsrealität durchaus unterscheiden. Und zwar umso besser, je mehr Medienbildung sie erhalten haben.  

Die drastischen Szenen in Dark Romance wirken stark emotionalisierend und rufen bei vielen Jugendlichen und Erwachsenen massive Abwehr hervor. Kritiker:innen bezeichnen die Bücher pauschal als „abstoßend“, „widerlich“ oder „Schrott“ – hier sind keine Vorbildeffekte zu erwarten. Auch Fans äußern Kritik, jedoch differenziert: Sie beziehen sich auf spezifische Merkmale einzelner Bücher, nicht auf das ganze Genre. Während manche Mafia-Settings spannend finden, empfinden andere sie als albern und bevorzugen Internatsgeschichten mit Drogen und Machtmissbrauch. Was harten Sex betrifft, scheiden sich ebenfalls die Geister. Das Vorurteil, Leser:innen würden die Romanwelten unkritisch als reale oder vorbildhafte Beziehungsmodelle übernehmen, greift zu kurz. Vielmehr wählen sie gezielt Geschichten, die ihrem persönlichen Unterhaltungserleben entsprechen, und diskutieren online aktiv über gelungene oder störende Textelemente. 

Dennoch werfen einzelne Darstellungen von Sexualität und Gewalt berechtigte Fragen auf: etwa zur Verbreitung bestimmter Praktiken, zu Konsens, Sicherheit und Einvernehmlichkeit. Dass Jugendliche sich für Sexualität und deren mediale Darstellung interessieren, gehört zur Entwicklung dazu. Statt ihnen Scham oder Schuldgefühle zu vermitteln, braucht es pädagogische Räume, in denen sie offen mit Fachleuten über ihre Medienerfahrungen sprechen und Orientierung finden können.

Redaktion: Für Bücher gibt es im Unterschied zu Filmen und Games keine gesetzlichen Altersgrenzen. Wie gestaltet sich der Jugendmedienschutz bei Dark Romance?

Döring: In der Buchbranche wird Dark Romance in der Regel der Rubrik New Adult zugeordnet. Entsprechend stehen die Bücher mit den düsteren Titelbildern im Buchhandel nicht im Regal mit der Jugendliteratur. Viele Autor:innen und Verlage versehen Dark-Romance-Titel inzwischen zusätzlich mit einer ausdrücklichen Altersempfehlung ab 18 Jahren. Dies zeigt sich durch Aufkleber und QR-Codes auf den Buchdeckeln, Hinweise auf Buchplattformen, Schilder an Büchertischen und Ausweiskontrollen bei Lesungen. Zudem werden auf Buchplattformen und in den Büchern zunehmend Inhaltsbeschreibungen und sogenannte Triggerwarnungen gegeben. Leser:innen können so im Vorfeld bewusst entscheiden, ob sie sich auf ein sexuell explizites Erwachsenenbuch einlassen möchten, in dem explizite Sexszenen und Themen wie Entführung, Stalking, Mobbing oder Mord auftauchen.  

Erfahrungen mit den gesetzlichen Altersgrenzen und Inhaltswarnungen bei Filmen und Games deuten darauf hin, dass solche Hinweise bei manchen Jugendlichen eine abschreckende Wirkung entfalten. Gleichzeitig nutzen viele Jugendliche aber auch bewusst Medieninhalte, die offiziell nicht für Minderjährige gedacht sind. So halten auch die gesetzlichen Altersgrenzen Jugendliche bekanntlich nicht davon ab, Horrorfilme, Kriegsspiele und Videopornografie zu konsumieren. Altersgrenzen sind also immer nur ein Element des Jugendmedienschutzes, zusätzlich ist Kompetenzbildung gefragt.

„Wenn Jugendliche Dark Romance als erste Quelle für Beziehungsgestaltung und Sexualität nutzen und daraus problematische Vorstellungen ableiten, verweist dies auf Defizite in der elterlichen und schulischen sexuellen Bildung.“

Prof. Dr. Nicola Döring

Redaktion: Welche Kompetenzen brauchen Jugendliche, um Dark Romance reflektiert rezipieren zu können?

Döring: Negativen Medienwirkungen kann durch Medienkompetenz entgegengewirkt werden – also durch Wissen über die Machart von Medien und den reflektierten, selbstbestimmten Umgang mit ihnen. Bei Dark Romance umfasst das etwa die Fähigkeit, selbst einzuschätzen, ob man bestimmte Inhalte konsumieren oder lieber meiden möchte – auch wenn sie im Freundeskreis Thema sind. 

Ein wichtiges Element ist zudem das Medialitätsbewusstsein, also das Verständnis dafür, dass es sich um fiktionale Texte handelt, die nach bestimmten Mustern gestaltet sind: Warum Figuren so gezeichnet sind, Handlungen bestimmte Wendungen nehmen oder bestimmte Motive wie Gewalt und Waffen auftauchen. Zur Genrekompetenz gehört auch zu wissen, wie groß die Auswahl an Geschichten ist und dass man gezielt wählen kann.

Redaktion: Welche Kompetenzen im Bereich Sexualität sollten Jugendliche im Schulunterricht erwerben?

Döring: Damit einzelne Aspekte von Beziehung und Sexualität aus dunklen Liebesromanen nicht unkritisch als realitätsnahe Vorbilder missverstanden werden, ist sexuelle Bildung zentral. Jugendliche erwerben im Zuge ihrer Sozialisation bereits informelle Vorstellungen – etwa durch Beobachtungen im Elternhaus oder Gespräche im Freundeskreis. Professionelle sexuelle Bildung ergänzt dies, indem gesunde Beziehungsdynamiken, Einvernehmlichkeit, Kommunikation über sexuelle Grenzen und Wünsche thematisiert werden – das unterstützt junge Menschen bei der Einordnung übersteigerter fiktionaler Sexualitätsdarstellungen. Wichtig ist es, Jugendliche mit ihren medialen Eindrücken nicht allein zu lassen, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, bewertungsfrei und offen Fragen zu stellen – das gilt für Videopornografie ebenso wie für sexuell explizite Liebesromane.

Redaktion: Was empfehlen Sie Eltern, Lehrkräften und Schulen im Umgang mit Dark Romance?

Döring: Zunächst einmal würde ich zu Gelassenheit raten. Der aktuelle öffentliche Diskurs, der die Lektüre von Dark-Romance-Büchern durch Mädchen und junge Frauen zur Gefahr erklärt, steht in der langen und problematischen Tradition, weibliche Lesekulturen pauschal abzuwerten. Schon im 18. Jahrhundert, als das Lesen von Liebesromanen unter jungen bürgerlichen Frauen aufkam, beklagten Mediziner, Geistliche und Pädagogen die gefährliche „Lesesucht“ der Frauen, die zu weltfremder „Schwärmerei“ und „unzüchtigen Gedanken“ führe.  

Wir sollten anerkennen, dass in weiblich konnotierten Lesekulturen Themen verhandelt werden, die Mädchen und Frauen unter den aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen interessieren. Anstatt nutzlos zu streiten, ob Dark Romance „gut“ oder „schlecht“, „feministisch“ oder „anti-feministisch“ ist, erscheint es hilfreicher, sich damit zu befassen, welchen Nutzen die Texte für diejenigen stiften können, die sie lesen wollen. Ein sachgerechter pädagogischer Umgang mit Dark Romance wird die Leserinnen und Autorinnen des Genres nicht belächeln, beschuldigen oder bevormunden, sondern die Leserinnen bei Bedarf durch Förderung ihrer Sexual- und Medienkompetenz empowern, damit sie am Ende beides können: ihre realen Liebesbeziehungen sowie ihre Lektüreauswahl so gestalten, wie sie das selbst möchten.

Redaktion: Frau Professorin Döring, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Zur Person

Nicola Döring ist Professorin für Medienpsychologie und Medienkonzeption an der Technischen Universität Ilmenau. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Medien- und Technikpsychologie, Kommunikationswissenschaft, Gender- und Sexualforschung, sowie sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden und Evaluation.