Erklärvideos im (Grundschul-)Unterricht lernförderlich einsetzen

Erklärvideos sind kurze Filme, in denen Sachverhalte (kindgerecht) beleuchtet werden. Im Gastbeitrag erklärt Stefan Meller, worauf Lehrkräfte bei der Auswahl achten sollten.

Schnell ein Video zeigen und schon sitzt das Thema in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler? Ganz so leicht machen es Erklärvideos den Lehrkräften nicht, wie Stefan Meller von der Pädagogischen Hochschule Burgenland in seiner Studie zeigt. Um lernförderliche Effekte zu erzielen, sollten sich Lehrkräfte fragen, warum sie welche Videos auswählen und wie sie ein gutes Erklärvideo erkennen können.

Vor- und Nachteile von Erklärvideos in der Grundschule

Der Vorteil von Erklärvideos liegt auf der Hand: Durch visuelle und auditive Hilfsmittel sollen komplexe Phänomene und Sachverhalte so anschaulich dargestellt werden, dass sie von Lernenden besser verstanden werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich audiovisuelle Medien spätestens seit der Corona-Pandemie endgültig auch im Schulkontext etabliert haben. Die KIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest belegen, dass die Nutzung von Onlinevideos seit den 2010er-Jahren – auch bei Grundschulkindern – stetig zunimmt.

Erklärvideos wird ein hoher Motivations- und Aufforderungscharakter zugeschrieben. Schülerinnen und Schüler folgen den Videos in der Regel aufmerksam. Für Lehrkräfte stellt das Medium daher eine „ansprechende“ Form der Vermittlung von Lerninhalten und eine zeitgemäße Bildungsressource dar.

Was sind Erklärvideos?

Der Begriff Erklärvideo kann als Sammelbegriff kurzer Filme beziehungsweise Filmsequenzen verstanden werden, die einen konkreten Sachverhalt multimodal veranschaulichen. Kennzeichnende Merkmale sind ein hoher Didaktisierungsgrad und die Nutzung von Storytelling-Elementen. Obgleich einige Lehrkräfte ihre Erklärvideos selbst gestalten, werden in der Regel fremderstellte Materialien aus dem Internet herangezogen. Diese Videos stammen von interessierten Laien ebenso wie von professionellen Produzierenden und großen Medienunternehmen. Insbesondere Formate aus dem Bildungsfernsehen – etwa die Lach- und Sachgeschichten der „Sendung mit der Maus“, Löwenzahn und Checker Tobi – sind beliebte Quellen für Erklärvideos zu sachunterrichtlichen Themenfeldern.

Dennoch ist beim Einsatz von Erklärvideos im Unterricht Vorsicht geboten. Denn ein rein medial vermittelter Zugang zu Phänomenen der kindlichen Lebenswelt kann die reale Begegnung und das Erfassen mit allen Sinnen nicht ersetzen.

Warum Lehrkräfte Erklärvideos nutzen

Um herauszufinden, mit welchem didaktischen Ziel Lehrkräfte Erklärvideos im Unterricht einsetzen, habe ich eine qualitative Interviewstudie mit 24 österreichischen und deutschen Grundschullehrkräften durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass Erklärvideos im Sachunterricht für vielfältige Zwecke eingesetzt werden. Dazu gehört, einen spannenden Einstieg in ein neues Thema zu schaffen, komplexe Themen zu veranschaulichen oder Impulse zu geben, um mit den Lernenden ins Gespräch zu kommen. Auch für die Wiederholung von Lerninhalten sowie die medienvermittelte Lebenswelt, wo keine unmittelbare Begegnung möglich ist, werden Erklärvideos eingesetzt. Darüber hinaus eröffnen Erklärvideos auch Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler eigenständig Inhalte erarbeiten zu lassen und ihnen alternative Erklärungsansätze zu bieten. Letzteres wird auch als Strategie zur Unterstützung von Kindern mit nicht-deutscher Erstsprache angewandt.

„Erklärvideos stellen aus Sicht der Lehrkräfte ein flexibel nutzbares didaktisches Werkzeug und eine motivierende Lernressource für die Lernenden dar.“

HS-Prof. Dr. Stefan Meller

Einige Lehrkräfte berichten zudem davon, die Kinder im Rahmen des Sachunterrichts eigene Erklärvideos erstellen zu lassen. Auf diese Weise würden nicht nur die sachunterrichtlichen Themenfelder vertieft, sondern auch die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler gefördert.

Deutlich wurde auch, dass Lehrkräfte ihren Umgang mit dem audiovisuellen Medium der jeweiligen Unterrichtssituation und der Zielgruppe anpassen. So wird etwa die Videowiedergabe unterbrochen, um unmittelbar neue Begriffe oder offene Fragen zu klären. Auch sequenzielles oder episodisches Anschauen einzelner Szenen sowie die Stummschaltung des Videotons, um eigene Impulse zu setzen, belegen eine hohe Flexibilität bei der Handhabung von Erklärvideos.

In der Regel werden Erklärvideos von weiteren Aktivitäten begleitet. Lehrkräfte lassen Kinder Fragen zum Video beantworten, teilen Arbeitsblätter aus oder bereiten Experimente vor, um die unmittelbare Weiterverarbeitung der neu gewonnenen Erkenntnisse sicherzustellen.

Ebenso herrschte Einigkeit darüber, dass Erklärvideos vielfältige didaktische Einsatzmöglichkeiten mit einer einfachen Handhabung vereinen. Betont wurde außerdem die entlastende Funktion des Mediums (Schonung der eigenen Stimme, Nutzung freiwerdender Zeitressourcen während des Videoschauens). Erklärvideos stellen aus Sicht der Lehrkräfte demnach ein flexibel nutzbares didaktisches Werkzeug und eine motivierende Lernressource für die Lernenden dar.

Medienkompetenz und technische Ausstattung erforderlich

Inwieweit Erklärvideos im Unterricht eingesetzt werden, hängt sowohl von personenbezogenen Merkmalen der Lehrperson als auch von der technischen Ausstattung der Schule ab. So hat die Medienkompetenz der Lehrkraft sowie ihr Interesse an Technologien oder umgekehrt, ihre Ängste oder Unsicherheiten gegenüber technologischen Entwicklungen, einen direkten Einfluss darauf, wie häufig und mit welchem Erfolg Erklärvideos in den Unterrichtskontext integriert werden. Auch die Verfügbarkeit von WLAN, interaktiven Whiteboards oder Tablets im Klassenraum wirken sich auf den Erklärvideoeinsatz aus. An dieser Stelle muss allerdings festgehalten werden, dass Lehrkräfte, die Erklärvideos einsetzen möchten, auch bei fehlender Ausstattung Wege finden, das Medium in den Unterricht zu integrieren (zum Beispiel indem sie ein Video auf ihrem eigenen Smartphone abspielen).

Darüber hinaus entscheidet auch die Verfügbarkeit passender Angebote, ob und in welchem Umfang Erklärvideos im Unterricht eingesetzt werden. Die Einschätzung der Qualität und Verfügbarkeit entsprechender Angebote variiert den interviewten Lehrkräften zufolge je nach Fachgebiet, für das die Videos gesucht werden. Dabei greifen Lehrkräfte neben frei verfügbaren Angeboten auf YouTube und den Mediatheken öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehsender auch auf kommerzielle Erklärvideoangebote zurück (zum Beispiel Sofatutor).

Wie Lehrkräfte Erklärvideos auswählen

Um sicherzustellen, dass sie qualitativ hochwertige Erklärvideos für ihren Unterricht auswählen, können Lehrkräfte auf eine Vielzahl unterschiedlicher Kriterienkataloge zurückgreifen. Dazu gehören etwa die „Kriterien für gute Erklärvideos“ von Christoph Kulgemeyer (2019) oder das „Kategoriensystem zur Analyse der Gestaltungsqualität von Erklärvideos (GQEV)“ von Wolf und Kratzer (2015). Auch für den Sachunterrichts existieren spezielle Kataloge, die es Lehrkräften erleichtern sollen, entsprechende Videos herauszusuchen.

Die Ergebnisse der Interviewstudie legen allerdings nahe, dass sich Lehrkräfte bei der Auswahl von Erklärvideos weniger auf Kriterienkataloge denn auf Oberflächenmerkmale wie die „Dauer eines Videos“ oder die „kindgerechte Aufbereitung“ stützen. Diese eher subjektiven Auswahlkriterien verdeutlichen, wie wichtig ein differenzierter Diskurs über Qualitätskriterien von Erklärvideos ist.

Worauf es bei der Auswahl von Erklärvideos ankommt

Da nur ein kleiner Teil der (interviewten) Lehrkräfte eigenständig Erklärvideos erstellt, ist es umso wichtiger, bei der Auswahl potenzieller fremderstellter Videos reflektiert und transparent vorzugehen. Dieser Umstand sollte auch in der Lehrkräftebildung verstärkt berücksichtigt werden, um bereits während des Studiums entsprechende Kompetenzen angehender Lehrkräfte im sachgemäßen Umgang mit Unterrichtsmedien auszubilden. Denn nicht immer werden Erklärvideos eingesetzt, um didaktische Ziele zu verfolgen. Teilweise spielen auch Rahmenbedingungen wie die Zeitersparnis bei der Vorbereitung oder die spontane Verfügbarkeit der Videos während des Unterrichts eine Rolle. Folglich ist es entscheidend, dass Lehrkräfte lernförderliche Einsatzszenarien für Erklärvideos kennenlernen und zu einer fachgerechten Handhabung hingeführt werden.

Entscheidend für eine lernförderliche Wirkung ist unter anderem eine kohärente, auf das Wesentliche reduzierte Darstellung der Inhalte. Auch sollten die Sachverhalte adressatengerecht vermittelt werden und wissenschaftliche Konzepte korrekt wiedergeben. Auch ein Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler sowie eine gute Strukturierung der Inhalte tragen zu einem lernförderlichen Einsatz von Erklärvideos bei.

„YouTube sollte von Lehrkräften nicht unreflektiert wie eine Lernumgebung behandelt werden.“

HS-Prof. Dr. Stefan Meller

Darüber hinaus sollten sich Lehrkräfte kritisch mit den Quellen von Erklärvideos auseinandersetzen. Dass YouTube von fast allen befragten Lehrkräften als erste Anlaufstelle für Erklärvideos für den Sachunterricht genannt wurde – und die Videos auch im Unterrichtsgeschehen über diese Plattform abgespielt bzw. zur Verfügung gestellt werden –, ist durchaus kritisch zu betrachten. Zwar sprechen die einfache Zugänglichkeit und die große Menge und Vielfalt potenziell einsetzbarer Videos für den Sachunterricht grundsätzlich für die Videoplattform, die kommerzielle Ausrichtung und die Vielzahl der dort abrufbaren Videos ohne pädagogische Bezüge, auf die zum Beispiel am Ende eines Erklärvideos hingewiesen wird oder die in der Vorschlagsleiste hervorgehoben werden, verdeutlichen, dass YouTube von Lehrkräften nicht unreflektiert wie eine Lernumgebung behandelt werden sollte.

Im Sinne einer konstruktivistischen Sicht auf das Lernen können Erklärvideos den Kindern als Werkzeuge für das selbst gesteuerte Lernen dienen. Da jedoch die Lernenden aufgrund ihrer individuellen Vorerfahrungen den Videos unterschiedliche Informationen entnehmen und daraus eigene – mitunter wissenschaftlich nicht tragfähige – mentale Modelle aufbauen, muss im Unterricht auch genügend Raum für gemeinsame Reflexionsprozesse geschaffen werden. Erst durch die Auseinandersetzung der Lehrkräfte mit dem, was Kinder aus einem Erklärvideo tatsächlich mitnehmen, kann erkannt werden, ob Inhalte korrekt verstanden wurden. Die Rückmeldungen der Kinder können in Form von Nachbesprechungen oder über die Bearbeitung vielfältiger weiterführender Aktivitäten (Ausfüllen von Arbeitsblättern, Gestalten von Präsentationen) erfolgen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Erklärvideos in verschiedenen Bereichen durchaus eine Unterstützung bei der Erfüllung des sachunterrichtlichen Bildungsauftrags sein können – sofern die Videos qualitätsvoll gestaltet und didaktisch reflektiert in den Unterricht integriert werden.

Das in der Abbildung dargestellte Rahmenmodell zum Erklärvideoeinsatz verdeutlicht einmal mehr, welche Einflussfaktoren hinsichtlich eines professionellen Handelns mit Erklärvideos in den Blick genommen werden müssen, damit ein zweckmäßiger Einsatz des audiovisuellen Mediums im Sachunterricht gefördert wird. Auf diese Weise können Erklärvideos im methodischen Repertoire jenen Platz einnehmen, der ihre Potenziale für das fachliche Lehren und Lernen bestmöglich nutzbar macht.

Kein Video ersetzt eine kompetente Lehrkraft

Oft führen Trends wie die Hinwendung zu Erklärvideos zu übersteigerten Erwartungen, die kein Unterrichtsmedium zu erfüllen vermag. Abschließend ist deshalb zu betonen: Um dem Bildungsauftrag des Sachunterrichts gerecht zu werden, braucht es in erster Linie fachwissenschaftliche und mediendidaktisch kompetente Lehrkräfte. Diese können Themen aus der Lebenswelt der Lernenden im Zusammenspiel mit unterschiedlichen didaktischen Methoden kind- und sachgemäß aufbereiten, den Kindern Erfahrungen mit allen Sinnen ermöglichen und sie bei der sachbezogenen Erschließung ihrer Lebenswelt begleiten. Wie Kulgemeyer (2019, S. 75) es sehr treffend formuliert: „Diese Verantwortung nimmt einer Lehrkraft auch das beste Video nicht ab.“