Faszination Finfluencer: Wie geht Schule damit am besten um?
Influencer, die Jugendliche mit Finanztipps zu riskantem Verhalten motivieren, werden immer beliebter. Kann Schule hier Prävention bieten?
Sympathisch, kompetent, auf Augenhöhe – so präsentieren sich viele Social-Media-Persönlichkeiten, die ihr Publikum auf Plattformen wie TikTok und Instagram zu teilweise hochriskantem Verhalten anregen. Darunter befinden sich auch schon Jugendliche. Was kann Schule hier tun?
1. Was sind Finfluencer?
Finfluencer ist ein Begriff, der sich aus „Finance“ und „Influencer“ zusammensetzt. Er beschreibt Personen, die über soziale Medien wie YouTube, Instagram oder TikTok finanzielle Ratschläge, Investmenttipps und wirtschaftliche Inhalte teilen. Bekannte Finfluencer sind etwa der US-Amerikaner Graham Stephan, Unternehmerin Tori Dunlap oder in Deutschland Kolja Barghoorn („Aktien mit Kopf”) oder Flo Pharell. Sie haben eine große Followerschaft und kommunizieren über Themen wie Immobilieninvestitionen und persönliche Anlage- und Finanztipps. Ihre Videos werden hunderttausendfach aufgerufen.
2. Warum sind Finfluencer so erfolgreich?
Finfluencer füllen heute für viele Jugendliche eine Lücke, indem sie komplexe finanzielle Inhalte auf unterhaltsame, leicht verständliche Formate runterbrechen. Sie erklären also ein für Jugendliche spannendes Thema, das sie so sonst nirgendwo so gelehrt bekommen. Eine Studie des CFA Institute, einer globalen Non-Profit-Organisation, die sich für professionelle Standards in der Investment-Branche einsetzt, zeigt etwa, dass Finfluencer insbesondere die Gen Z, also junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren, erreichen. Und das meistens über Plattformen, auf denen diese sich zu Hause fühlen: YouTube, TikTok oder Instagram. Der Mangel an finanzieller Bildung im deutschen Bildungssystem hat dabei einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass junge Menschen nach alternativen Quellen suchen, um ihre ökonomischen Kenntnisse zu erweitern. Das ist auch in anderen Ländern so: So zeigt ein Report des Times Square Investment Journal, dass aufgrund des Mangels an formaler Finanzbildung viele junge Amerikaner auf Social Media und Finfluencer zurückgreifen, um ihr Wissen über Geld und Finanzen zu erweitern.
Was dazu beiträgt, dass junge Menschen zunehmend Beiträge von Finfluencern konsumieren, ist die Tatsache, dass diese oftmals ihre persönlichen Erfahrungen und Geschichten teilen. Sie erscheinen authentisch und nahbar. Zudem laden sie ihre Follower zur Interaktion ein, etwa durch Q&A-Sessions, Umfragen und Diskussionen in den Kommentaren. Daraus entsteht Gemeinschaft, ein Zugehörigkeitsgefühl.
3. Was weiß die Forschung über den Einfluss von Finfluencern?
Den signifikanten Einfluss von Finfluencern unter anderem auf Jugendliche und junge Anleger haben mehrere Studien bereits untersucht. So hat die 2024 erschienene Untersuchung „The influence of social media on investment decision-making” gut 300 Investoren befragt, wie soziale Medien ihre Anlageentscheidungen beeinflussen und ihre Risikobereitschaft erhöhen. Heraus kam, dass Beiträge mit finanziellen Inhalten auf sozialen Medien psychologische Verhaltensweisen wie Herdentrieb und Selbstüberschätzung verstärken. Beispielsweise gaben 68 Prozent der Befragten an, dass sie sich bei ihren Anlageentscheidungen oft von den Handlungen anderer Investoren auf sozialen Medien beeinflussen ließen („Herding”). Darüber hinaus berichteten 54 Prozent der Teilnehmer, dass sie ihre eigenen Fähigkeiten bei Anlageentscheidungen überschätzten („Overconfidence-Bias”). Etwa 62 Prozent der Befragten gaben an, dass sie das Risiko von Anlagen aufgrund der positiven Darstellung auf sozialen Medien unterschätzten.
Weiterlesen: „Wirtschaft ist das Nebenfach unter den Nebenfächern”
Prof. Dirk Loerwald erklärt im Interview, warum es mehr ökonomische Bildung in der Schule braucht – und wie das erreicht werden kann.
4. Wie qualifiziert und transparent sind Finfluencer?
Finfluencer haben oft nicht die notwendigen Qualifikationen oder regulatorischen Genehmigungen, um fundierte finanzielle Ratschläge zu geben. Die Studie des CFA Institute zeigt, dass bei nur 20 Prozent der Inhalten von Finfluencern, die Anlageempfehlungen enthielten, transparent darüber informiert wurde, ob sie für ihre Empfehlungen bezahlt wurden oder ob es potenzielle Interessenkonflikte gibt. Die niedrige Eintrittsbarriere für Finfluencer erhöht dabei das Risiko, dass Follower schlechte oder irreführende Ratschläge erhalten, die zu finanziellen Verlusten führen können.
Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Fall von Kim Kardashian, die eine Strafe von 1,26 Millionen Dollar zahlen musste, weil sie für die Kryptowährung EthereumMax (EMAX) geworben hatte, ohne offenzulegen, dass sie dafür 250.000 Dollar erhielt. Die Kryptowährung hat seit ihrem Höhepunkt im Mai 2021 mehr als 99 Prozent ihres Wertes verloren.
Eine Studie des Swiss Finance Institute nahm unter anderem die finanziellen Auswirkungen von Finfluencer-Ratschlägen auf Basis von Tweet-Daten in den Blick. Dabei zeigte sich, dass nur 28 Prozent der Finfluencer in der Lage waren, monatliche Überrenditen von durchschnittlich 2,6 Prozent zu erzielen. Im Gegensatz dazu gelang 16 Prozent der Finfluencer keinerlei Rendite – 56 Prozent der Finfluencer erzielten sogar negative Renditen, die im Durchschnitt minus 2,3 Prozent pro Monat betrugen. Eine Studie des britischen Vergleichsportals für Finanzprodukte MoneySuperMarket auf Basis von 350 Short-Form-Videos auf Social Media kam zu dem Schluss, dass 74 Prozent der Finfluencer-Videos Finanztipps enthielten, die „falsch, irreführend, risikoreich oder potenziell schädlich waren”.
5. Ist das nicht eher ein Thema für Erwachsene? Inwiefern beeinflussen Finfluencer schon Jugendliche?
Es gibt einige Studien, die darauf hinweisen, dass schon Jugendliche in den Bann von Finfluencern geraten. So weist ein Bericht des World Economic Forums darauf hin, dass die Generation Z, zu der schon Zwölfjährige gehören, fast fünfmal häufiger als ältere Erwachsene finanzielle Ratschläge über soziale Medien sucht. Eine Studie in der Zeitschrift Current Psychology untersuchte in einer Stichprobe von 1200 Teenagern im Alter von 13 bis 18 Jahren den Einfluss von Social-Media-Influencern auf das Verhalten von Teenagern. Die Ergebnisse zeigten, dass die Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit von Influencern einen großen Einfluss auf die Entscheidungen von Jugendlichen hat. Teenager lassen sich oft von der Expertise und Authentizität der Influencer leiten, was ihre finanziellen Entscheidungen stark beeinflussen kann.
6. Was kann Schule hier tun?
Es beginnt mit Medienkompetenz, denn diese ist auch im Falle der Finfluencer die beste Strategie: Nützlich sind hier etwa gezielte Programme zur Medienbildung, die den Schülerinnen und Schülern helfen, kritisch mit Informationen aus sozialen Medien umzugehen, vertrauenswürdige Quellen zu identifizieren und Fehlinformationen zu erkennen. Auch Wissen darüber, wie Algorithmen in sozialen Medien Inhalte aussuchen, kann dabei helfen zu verstehen, was die Motivation hinter den geteilten Inhalten von Finfluencern ist. Gute Quellen für solche Programme sind etwa die EU-Initiative klicksafe mit vielen Materialien und Workshops, die Initiative „Schau Hin!”, hinter der unter anderem die Bundesregierung, ARD und ZDF stehen, das Medienkompetenzportal NRW oder die gemeinnützige Organisation Digitale Helden.
Ebenso wichtig ist die ökonomische Bildung als Teil des Unterrichts, um eine gute Prävention gegenüber dubiosen Finfluencer-Tipps bei Schülerinnen und Schülern aufzubauen. Dazu gehören Grundlagen der Finanzplanung wie Budgetierung, Sparen, Investieren und Schuldenmanagement oder die Bewertung von Risiken bei Investitionen, aber auch die Vermittlung von Fähigkeiten, um die Qualität und Seriosität von Finanzberatungen, einschließlich der Ratschläge von Finfluencern, kritisch zu hinterfragen. Studien zeigen, dass eine solide ökonomische Bildung und Finanzkompetenz Jugendliche besser vor den Risiken unqualifizierter Finanzberatung schützt und ihnen hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen.
Die Einbindung von Schulpsychologinnen und -psychologen sowie Eltern kann ebenfalls ein wichtiges Element sein, um Schüler individuell und rechtzeitig zu unterstützen und für den verantwortungsvollen Umgang mit Social Media Content, etwa von Finfluencern, zu sensibilisieren. Dazu können etwa Elternschulungen gehören, also Informationsveranstaltungen für Eltern, um ihnen zu helfen, die digitale Welt ihrer Kinder zu verstehen. So können Eltern ermutigt werden, aktiv an der digitalen Erziehung ihrer Kinder teilzunehmen und mit ihnen über potentiell riskante Inhalte zu sprechen, die sie online konsumieren.
Weiterlesen: Nachhaltigkeit im Wirtschaftsunterricht: Darauf kommt es an
Das Forschungsprojekt ECON 2022 der Universität Duisburg-Essen hat untersucht, wie sich schulische und familiäre Strukturen auf die nachhaltigkeitsbezogene Performanz im Rahmen des Wirtschaftsunterrichts von Schüler:innen auswirken.