Feed up, feed back, feed forward!

Durch Unterrichtsbeobachtungen und Feedback an Lehrkräfte können Schulleitungen zu besserem Unterricht beitragen

Die Rolle der Schulleitung hat sich seit Beginn der 2000er Jahre stark verändert. Schulleitungen sind formal zum zentralen Akteur der innerschulischen Qualitätssicherung und -entwicklung geworden. Sie sollen z. B. als Instructional Leader vermehrt unterrichtsbezogene Führungsaufgaben übernehmen, zu denen auch Unterrichtsbeobachtungen und entwicklungsbezogene Feedbacks an die beobachteten Lehrkräfte gezählt werden können.

Obwohl Studienbefunde zeigen, dass Unterrichtsfeedbacks von Schulleitungen zu einer besseren Unterrichtsqualität und besseren Leistungen von Schüler und Schülerinnen führen können (vgl. Song et al., 2021; Steinberg & Sartain, 2015; Taylor & Tyler, 2012), erhalten Lehrkräfte hierzulande nur selten ein beobachtungsbasiertes Unterrichtsfeedback von ihrer Schulleitung (vgl. z. B. Barfknecht & van Saldern, 2010). Vor diesem Hintergrund wurde an der Freien Universität Berlin ein Verfahren entwickelt, das Schulleitungen die für eine erfolgreiche Implementation von Unterrichtsbeobachtungen und -feedbacks benötigten Instrumente zur Verfügung stellt und relevante Kompetenzen vermittelt. Im Detail wurde ein standardisiertes Beobachtungsinstrument, ein Online-Portal zur Erstellung von Feedbackberichten, ein Leitfaden für die Feedbackgespräche sowie ein Beobachtungs- und Feedbacktraining entwickelt, die im vorliegenden Beitrag kurz vorgestellt werden sollen.

Was ist bei der Unterrichtsbeobachtung zu beachten?

Damit die Unterrichtsbeobachtung systematisch erfolgt, sollten Schulleitungen ein geeignetes Beobachtungsinstrument nutzen. Mit dem Beobachtungsbogen zur Erfassung von Unterrichtsqualität (vgl. Gärtner et al., 2021) wurde ein Instrument entwickelt, das explizit für Unterrichtsbeobachtungen und entwicklungsbezogene Feedbacks durch Schulleitungen vorgesehen ist. 

Dem Beobachtungsinstrument liegt ein theoretisches Unterrichtsmodell zugrunde, dass zwischen drei übergeordneten unterrichtlichen Anforderungsbereichen unterscheidet. Zu den zentralen Anforderungen von Lehrkräften können demnach die (1) Unterstützung des Wissenserwerbs, (2) die Motivierung von Schüler und Schülerinnen sowie das (3) Klassenmanagement gezählt werden. Jeder Anforderungsbereich ist in mehrere Unterrichtsmerkmale ausdifferenziert, die der aufgeführten Tabelle entnommen werden können.

Die insgesamt 14 Unterrichtsmerkmale sind im Beobachtungsinstrument über je vier bis acht verhaltensnah formulierte Indikatoren operationalisiert. Wie stark die einzelnen Merkmale ausgeprägt sind, kann in der beobachteten Unterrichtsstunde auf einer vierstufigen Skala beurteilt werden. Ein Indikator für das Unterrichtsmerkmal Unterstützung von Verstehensprozessen lautet beispielsweise „Die Lehrkraft fordert die Schüler und Schülerinnen dazu auf, selbst Hypothesen/Vermutungen zu entwickeln.“
 

Wie werden Schulleitungen bei der Feedbackgabe unterstützt?

Um Schulleitungen bei der Feedbackgabe zu unterstützen, wurde ein Online-Portal programmiert. Auf Grundlage der Beobachtungsdaten erstellt es für jede Lehrkraft einen individuellen Feedbackbericht. Diese Berichte enthalten ein überblicksartiges Feedback zu den 14 Unterrichtsmerkmalen sowie Informationen zu ausgewählten unterrichtlichen Stärken. Außerdem werden die Unterrichtsmerkmale, bei denen Schulleitungen den größten Entwicklungsbedarf ausmachen, als unterrichtliche Schwächen aufgeführt. Das Kernstück der Feedbackberichte stellen aber Hinweise auf alternative Verhaltensstrategien dar.  Mit Blick auf den Entwicklungsbedarf werden nämlich aus den verhaltensnah formulierten Indikatoren sinnvolle Handlungsoptionen hergeleitet. Fordert eine Lehrkraft ihre Schüler und Schülerinnen beispielsweise selten oder nie dazu auf, Hypothesen oder Vermutungen zu formulieren, würde der Feedbackbericht für diese Lehrkraft die folgende Handlungsempfehlung enthalten:

„Die Tiefenverarbeitung von Informationen kann durch das Formulieren von Hypothesen oder Vermutungen unterstützt werden. Schüler und Schülerinnen nutzen dabei aktiv ihr Vorwissen und schränken den Bereich begründet ein, indem sie nach Lösungen für Aufgaben oder Probleme suchen.“

Die schriftlichen Feedbackberichte stellen die Grundlage für ein Feedbackgespräch zwischen der Schulleitung und der beobachteten Lehrkraft dar. Für die Durchführung der Feedbackgespräche wurde ein Leitfaden entwickelt, der es Schulleitungen ermöglicht, Lehrkräften ein kritisch-konstruktives Feedback zu ihrem Unterricht zu geben, auf dessen Grundlage sie ihren Unterricht weiterentwickeln können (vgl. Kellermann et al., angenommen).

Feed up, feed back, feed forward: Welche Informationen sollte das Feedback enthalten?

In Anlehnung an die vielfach zitierte Feedbacktheorie von Hattie und Timperley (2007) sollte das Feedback der Schulleitung drei Arten von Informationen enthalten, die als feed up, feed back und feed forward bezeichnet werden. Korrespondierend dazu stehen die drei Fragen: Where am I going?, How am I going? und Where to next?. Zunächst wird den Lehrkräften das theoretische Unterrichtsmodell vorgestellt, um sie mit den Bewertungskriterien der Unterrichtsbeurteilung vertraut zu machen (feed up). Im Anschluss erhalten die Lehrkräfte ein möglichst ausgewogenes Feedback, das zunächst ausgewählte unterrichtliche Stärken und anschließend ausgewählte unterrichtliche Schwächen anspricht (feed back). Sowohl die Stärken als auch die Schwächen werden anhand von Beispielen aus der beobachteten Unterrichtsstunde erläutert. Im Hinblick auf die unterrichtlichen Schwächen werden den Lehrkräften alternative Verhaltensstrategien aus den Feedbackberichten vorgeschlagen (feed forward). Abschließend einigen sich die Schulleitung und die Lehrkraft auf möglichst konkrete Entwicklungsziele im Hinblick auf die Umsetzung der Handlungsempfehlungen. 

Wie werden Schulleitungen auf die Unterrichtsbeobachtung und Feedbackgabe vorbereitet?

Um Schulleitungen die für die Unterrichtsbeobachtung und Feedbackgabe benötigten Kompetenzen zu vermitteln, wurde ein Beobachtungs- und Feedbacktraining entwickelt. Im Beobachtungstraining wird den Schulleitungen ein grundlegendes Verständnis des theoretischen Unterrichtsmodells vermittelt. Außerdem werden sie über häufig auftretende Beobachtungsfehler aufgeklärt und lernen Strategien zu ihrer Vermeidung kennen. Die Nutzung des Beobachtungsinstruments wird anhand videobasierter Beobachtungsübungen trainiert. Im Feedbacktraining lernen die Schulleitungen das Online-Portal und die Feedbackberichte kennen. Die Anwendung der Gesprächsrichtlinien wird im Rahmen von Rollenspielen eingeübt.

Fazit

Das entwickelte Verfahren ermöglicht es Schulleitungen, einer zentralen unterrichtsbezogenen Führungsaufgabe nachzukommen und den Lehrkräften an ihrer Schule ein beobachtungsbasiertes Feedback zu ihrem Unterricht zu geben. Das standardisierte Beobachtungsinstrument, das Online-Portal und die individuellen Feedbackberichte sowie der Gesprächsleitfaden können Schulleitungen dabei unterstützen, ihren Lehrkräften ein kritisch-konstruktives Feedback zu ihrem Unterricht zu geben, auf dessen Grundlage diese ihren Unterricht weiterentwickeln können.

Ist das Verfahren wirksam?

Die Wirksamkeit des entwickelten Verfahrens wurde im Schuljahr 2017/2018 in einer quasi-experimentellen Studie an Berliner Oberstufenzentren evaluiert. N = 11 Schulleitungen haben das Beobachtungs- und Feedbacktraining durchlaufen, im Anschluss den Unterricht von N = 26 Lehrkräften einer Interventionsgruppe mithilfe des standardisierten Beobachtungsinstruments beurteilt und ihnen ein Feedback zu den 14 Unterrichtsmerkmalen des theoretischen Unterrichtsmodells gegeben. Bei der Feedbackgabe griffen die Schulleitungen auf die lehrerspezifischen Feedbackberichte zurück und orientierten sich am Gesprächsleitfaden. Lehrkräfte einer Kontrollgruppe (N = 27) haben kein Feedback erhalten. N = 1.069 Schüler/-innen der teilnehmenden Lehrkräfte wurden befragt, um zu prüfen, ob das Unterrichtsfeedback der Schulleitungen zu einer besseren Unterrichtsqualität führt. Vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Unterrichtsqualität von Lehrkräften der Interventionsgruppe nach dem Feedback bei sieben der 14 Unterrichtsmerkmale positiver beurteilt wird als der Unterricht von Lehrkräften der Kontrollgruppe. Bei drei Unterrichtsmerkmalen hat das Feedback aus Schülersicht einen signifikant positiven Effekt auf die Unterrichtsqualität.

  • Barfknecht, T. & Saldern, M. v. (2010). Evaluation und Feedback der Lehrkräfte. In M. Demmer & M. v. Saldern (Hrsg.), Helden des Alltags. Erste Ergebnisse der Schulleitungs- und Lehrkräftebefragung (TALIS) in Deutschland (Die Deutsche Schule, 11. Beiheft, S. 94–115).
  • Gärtner, H., Thiel, F., Nachbauer, M. & Kellermann, C. (2021). Unterrichtsentwicklung durch Unterrichtsfeedback – Erste Entwicklungsschritte eines Beobachtungsbogens für Schulleitungen. Zeitschrift für Bildungsforschung, 89(11), 529–547.
  • Hattie, J. & Timperley, H. (2007). The power of feedback. Review of Educational Research, 77(1), 81–112.
  • Kellermann, C., Nachbauer, M., Gaertner, H., & Thiel, F. (angenommen). Effekte eines Unterrichtsfeedbacks von Schulleitungen auf die Entwicklung der selbst eingeschätzten Unterrichtskompetenz von Lehrkräften – Ergebnisse einer Interventionsstudie unter Berücksichtigung der Zielorientierungen von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. 
  • Song, M., Wayne, A. J., Garet, M. S., Brown, S. & Rickles, J. (2021). Impact of providing teachers and principals with performance feedback on their practice and student achievement: Evidence from a large-scale randomized experiment. Journal of Research on Educational Effectiveness, 14(2), 353–378. 
  • Steinberg, M. P. & Sartain, L. (2015). Does teacher evaluation improve school performance? Experimental evidence from Chicago's Excellence in Teaching Project. Education Finance and Policy, 10(4), 535–572.
  • Taylor, E. S. & Tyler, J. H. (2012). The effect of evaluation on teacher performance. American Economic Review, 102(7), 3628–3651.