Herausforderungen an Schulen meistern – Was der neue Orientierungsrahmen für Schulleitungen bedeutet

Was Führung in Schulen heute braucht – und wie man sich gezielt darauf vorbereiten kann

Die Bildungsministerkonferenz hat Ende 2024 den „Orientierungsrahmen für die Qualifizierung von Schulleitungen“ beschlossen. Er unterstreicht die zentrale Rolle von Schulleitungen für die Schulentwicklung und zeigt Wege zur gezielten Qualifizierung auf. Dr. Dorit Stenke, Staatssekretärin aus Schleswig-Holstein, erläutert die Impulse und deren Bedeutung. 

Redaktion: Frau Staatssekretärin Stenke, welche Hauptziele verfolgt der neue "Orientierungsrahmen zur Qualifizierung von Schulleitungen", und wie soll er zur Verbesserung der Schulqualität beitragen?

Staatssekretärin Dr. Dorit Stenke: Mit dem Orientierungsrahmen verfolgen wir mehrere Ziele: Erstens, die zentrale Führungs-, Verantwortungs- und Schulentwicklungsfunktion von Schulleitungen klar zu beschreiben und damit ihr Berufsbild zu stärken. Zweitens, eine gemeinsame Orientierung für die Qualifizierung von Schulleitungen zu bieten. Drittens, ein ländergemeinsames Leitbild für Schulleitungen zu entwickeln. Und viertens, einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung und -sicherung an unseren Schulen zu leisten.

Redaktion: Welche Bedeutung hat der Orientierungsrahmen für Schulleitungen in Deutschland?

Stenke: Der Veränderungsdruck an unseren Schulen ist enorm. Die gesellschaftlichen Erwartungen an moderne und zukunftsfähige Schulen wachsen stetig, während gleichzeitig die täglichen Herausforderungen für Schulen zunehmen. Die Schülerschaft ist heute deutlich heterogener – das betrifft nicht nur zugewanderte Kinder und Jugendliche, sondern auch jene, deren Familien seit Generationen hier leben.

Zudem hat sich die Wahrnehmung des Erziehungs- und Bildungsauftrags durch Eltern und Familien verändert, oft mit der Folge, dass dieser nicht mehr in dem Maße wahrgenommen wird, wie es notwendig wäre. Gleichzeitig führen multiple Krisen unserer Zeit dazu, dass sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrkräfte verstärkt unter psychischen Belastungen leiden.

Schulleitungen stehen somit vor vielfältigen pädagogischen und organisatorischen Aufgaben, die sich kontinuierlich weiterentwickeln. Der Orientierungsrahmen unterstützt die Länder dabei, Qualifizierungsmaßnahmen zu gestalten und Schulleitungen zu professionalisieren. Er beschreibt zentrale Aufgabenbereiche sowie Qualifizierungsziele, die insbesondere für die Vorbereitung auf das Amt und für die teamorientierte sowie vernetzte Führungstätigkeit entscheidend sind. Darüber hinaus ist der Orientierungsrahmen Ausdruck der Anerkennung und Wertschätzung für die herausragende Rolle und Verantwortung von Schulleitungen.

Redaktion: Welche zentralen Aufgaben haben Führungskräfte an Schulen heute?

Stenke: Die Aufgaben einer Schulleitung sind vielfältig. Der Orientierungsrahmen benennt zentrale Aspekte, darunter: 

  • die Gesamtverantwortung für die Schule, 
  • eine teamorientierte Führung, 
  • die pädagogische Leitung sowie die Wahrnehmung organisatorischer und verwaltungstechnischer Aufgaben, 
  • die kontinuierliche Professionalisierung und Weiterbildung der Lehrkräfte, 
  • die Steuerung von Transformations- und Digitalisierungsprozessen sowie 
  • die Vertretung der Schule nach außen. 

Besonders wichtig ist die strategische Schulentwicklung mit einem Fokus auf Unterrichtsqualität und systematisches Qualitätsmanagement.

Redaktion: Wie können Schulleitungen für die Balance zwischen pädagogischen Aufgaben und administrativen Herausforderungen geschult werden?

Stenke: Entscheidend sind Techniken, die es Schulleitungen ermöglichen, sich Freiräume für wirkungsvolle Gespräche, angemessene Reaktionen und Reflexion zu schaffen. Dazu gehören effektives Zeitmanagement, die Delegation von Aufgaben und eine enge Zusammenarbeit im Schulleitungsteam.

Auch erfahrene Schulleitungen stehen durch neue Herausforderungen immer wieder vor der Notwendigkeit, sich fortzubilden. Die Länder sind daher gefordert, entsprechende Qualifizierungsangebote bereitzustellen. Neben den Landesinstituten bieten inzwischen auch einige Universitäten Weiterbildungsgänge für Schulmanagement an, die gut nachgefragt werden. 
Die Verantwortung für eine fundierte Qualifizierung liegt letztlich bei den Bildungsministerien, die die Rahmenbedingungen für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen setzen müssen.

„Eine gute Schulleitung zeichnet sich durch Orientierungsfähigkeit, Kritikfähigkeit und Selbstreflexion aus.“

Staatssekretärin Dr. Dorit Stenke

Redaktion: Welche Leitungsgrundsätze brauchen Schulleitungen, um diesen Aufgaben gerecht zu werden? 

Stenke: Eine gute Schulleitung zeichnet sich durch Orientierungsfähigkeit, Kritikfähigkeit und Selbstreflexion aus. Sie verfolgt eine positive Grundhaltung, entwickelt konstruktive Lösungen und bindet das Kollegium sowie die Eltern- und Schülerschaft aktiv in Schulentwicklungsprozesse ein. So entsteht Vertrauen und eine gemeinsame Verantwortung für die Schulqualität. 
Der Orientierungsrahmen formuliert dazu folgende pädagogische Leitungsgrundsätze: 

  • Ziel- und Ergebnisorientierung, 
  • Stärkenorientierung, 
  • Gestaltungs- und Innovationsorientierung, 
  • Partizipationsorientierung, 
  • Vertrauensorientierung sowie 
  • eine positive Grundhaltung.

Redaktion: Welches Bild guter Schule liegt dem Orientierungsrahmen zugrunde?

Stenke: Die Rolle der Schulleitung umfasst Führungs-, Management- und Personalaufgaben. Gleichzeitig verstehe ich die Schulleitung auch als eine Art Dienstleisterin: Ihre Aufgabe ist es, die Potenziale, die Motivation und die Kreativität aller an der Schule Lernenden und Arbeitenden zu fördern und ihr Wohlergehen zu stärken. 


Eine gute Schule zeichnet sich vor allem durch hochwertigen, anregenden Unterricht, Partizipation und gelebte Demokratie aus. Sie ist geprägt von einem respektvollen Miteinander und einem Schulprogramm, das aktiv Maßnahmen zur Prävention von Diskriminierung und Gewalt beinhaltet.
Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler zu selbstbewussten, verantwortungsvollen und kritischen Menschen auszubilden, die eigenständig ihr Leben gestalten und zur Gesellschaft beitragen können.

Redaktion: Der Orientierungsrahmen ist ein erster Schritt, die Anforderungen an Schulleitungen zu vereinheitlichen. Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um die definierten Qualifizierungsstandards bundesweit umzusetzen?

Stenke: Der Orientierungsrahmen zur Qualifizierung von Schulleitungen basiert auf der gegenseitigen Anerkennung und Wertschätzung der in den Ländern vorhandenen Expertise und Rahmenbedingungen. Er soll eine Brücke bauen zwischen den länderspezifischen bildungspolitischen Vorgaben und der Berufspraxis in den Schulen sowie den Institutionen der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Gleichzeitig schafft er eine gemeinsame Grundlage, die sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen und grundlegenden Qualitätsstandards orientiert. 

In den Gremien der Kultusministerkonferenz wird ein kontinuierlicher Austausch zu diesen Themen stattfinden. Bereits jetzt gibt es zahlreiche länderübergreifende Qualifizierungsmaßnahmen, beispielsweise im Rahmen des Startchancen-Programms.

Redaktion: Welche Erwartungen haben Sie diesbezüglich an die Länder, um den Orientierungsrahmen effektiv in die Praxis umzusetzen?

Stenke: Die Länder haben sich darauf verständigt, dem Orientierungsrahmen zur Qualifizierung von Schulleitungen eine verbindliche Bedeutung beizumessen. Dies betrifft sowohl die Aufgabenbereiche als auch die Qualifizierungsziele für Schulleitungen, unter Berücksichtigung länderspezifischer Regelungen.

Dabei sind die formulierten Aufgabenbereiche und Ziele nicht als starres Idealbild einer „guten Schulleitung“ zu verstehen, das in seiner Gesamtheit erfüllt werden muss. Vielmehr dienen sie der Zielklarheit, schärfen den Blick für kurz- und mittelfristige Entwicklungsperspektiven und setzen Impulse für die Umsetzung in der Fort- und Weiterbildung. 
Zudem bieten sie Anregungen für eine vorbereitende und phasenspezifische Nutzung in der Lehrkräfteausbildung und lassen Spielraum für länder- und berufsspezifische Umsetzungsmodelle. 
In diesem Sinne erwarten wir, dass der Orientierungsrahmen maßgebliche Impulse für die Qualifizierungsstrategien der Länder setzt.

„Die Schulwirklichkeit ist vielfältig, und die Herausforderungen unterscheiden sich von Schule zu Schule.“

Staatssekretärin Dr. Dorit Stenke

Redaktion: In welcher Weise können Schulleitungen auch von sich aus die exemplarischen Ziele, die der Orientierungsrahmen anführt, an die spezifischen Anforderungen ihrer Schule anpassen?

Stenke: Die Schulwirklichkeit ist vielfältig, und die Herausforderungen unterscheiden sich von Schule zu Schule. Wir haben bewusst den Begriff eines Rahmens gewählt, der individuelle Anpassungen ermöglicht und ausdrücklich erwünscht. Auch das ist eine Form bewusster Verantwortungsübernahme. Insofern begrüßen wir es, wenn einzelne Schulleitungen den Orientierungsrahmen aufgreifen, um ihr Handeln gezielt weiterzuentwickeln.

Redaktion: Die Welt entwickelt sich – das Schulleben auch. Wie wird die Wirksamkeit und Aktualität des Orientierungsrahmens sichergestellt? 

Stenke: Der Orientierungsrahmen sieht selbst vor, dass er in angemessenen Zeitabständen auf Aktualisierungsbedarf geprüft wird.

Redaktion: Frau Staatssekretärin Stenke, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Zur Person

Dr. Dorit Stenke ist Staatssekretärin im Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur.