Keine gute Schule ohne ein gutes Führungsteam und engagierte Lehrkräfte

Gastbeitrag von Prof. Dr. Stephan Gerhard Huber und Nadine Schneider zur Qualifizierung von Schulleitungen.

Qualität und Entwicklung einer Schule hängen maßgeblich von der Schulleitung ab. Im Gastbeitrag erläutern Professor Stephan Huber und Nadine Schneider, vor welchen Herausforderungen Schulleitungen stehen und dass die Qualifizierung pädagogischer Führungskräfte bereits vor Übernahme einer Leitungsposition beginnen sollte.

Warum ist die Rolle von Schulleitung so wichtig?

Pädagogische Führungskräfte haben in den Schulen eine Schlüsselfunktion inne, wenn es darum geht, Schülerinnen und Schülern die besten Voraussetzungen für ihr Lernen und ihre Bildung und damit einen guten Start in ihr berufliches und gesellschaftliches Leben zu ermöglichen. Der Beruf der Schulleiterin oder des Schulleiters bietet die Chance, in besonderem Maße Verantwortung zu übernehmen und Schule nach pädagogischen Zielvorstellungen zu gestalten und weiterzuentwickeln.

„Gestaltung von Schule geschieht im Sinne kooperativer Führung in einem Team, dessen vielfältige Kompetenzen zum Tragen kommen.“

Die Führungsrolle bleibt hierbei allerdings nicht dem Schulleiter bzw. der Schulleiterin allein überlassen. Gestaltung von Schule geschieht vielmehr im Sinne kooperativer Führung in einem Team, dessen vielfältige Kompetenzen zum Tragen kommen. Alle ziehen an einem Strang. Schulentwicklung wird so zu einer konzertierten Aktion mit pädagogischer Ausrichtung – basierend auf einer demokratischen Grundhaltung, die Vielfalt ermöglicht und zulässt. Das ist die zentrale Idee einer solchen schulischen Expertenorganisation.

„Professionalisierung, die Stärkung von Schulleitung und pädagogischer Führung, haben eine große Bedeutung“

Die Kompetenzen, die für eine solche pädagogische Führung erforderlich sind, sowie die Rolle und Funktion von Schulleitung haben sich stark gewandelt. Die Anforderungen sind gestiegen. Zu den tradierten und sowieso vielfältigen Aufgabenfeldern kommen neue hinzu. Im Zuge stärker eigenverantwortlicher Schulen beispielsweise Budgetverwaltung und Personalauswahl. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie insbesondere Digitalisierungsfragen und Krisenmanagement sowie eine intensivere Elternarbeit. Aktuell, als Folge des Krieges, der Umgang mit den vielen geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine. Professionalisierung, die Stärkung von Schulleitung und pädagogischer Führung, haben vor diesem Hintergrund eine große Bedeutung. Daneben gilt es mit Unterstützungs- und Beratungsangeboten, sowie mit Coaching, situations- und bedarfsorientiert zu unterstützen, insbesondere dann, wenn die Anforderungen an pädagogische Führung in eine Überforderung münden.

Wie sollten pädagogische Führungskräfte, auch künftige, sich professionalisieren und weiterentwickeln?

Heutzutage ist eine breite Übereinstimmung über die Notwendigkeit und Bedeutung von Qualifizierungsmöglichkeiten zu beobachten. In vielen deutschsprachigen Ländern leider nicht in allen deutschen Bundesländern – wurden in den letzten Jahren die Qualifizierungsangebote für schulische Führungskräfte quantitativ und qualitativ ausgebaut – mit Unterschieden in Tempo und Intensität und zunehmend auch in orientierenden und vorbereitenden Kursen vor Amtsantritt.

„In der Lehrkräfteausbildung wird die Entwicklung von Führungskompetenzen bisher noch zu wenig in den Blick genommen.“

Noch zur Jahrtausendwende qualifizierten fast alle deutschen Bundesländer ihre Schulleiterinnen und Schulleiter erst nach deren Ernennung und meistens sogar erst nach Amtsantritt. International aber ist eine vorbereitende Ausbildung, also eine Qualifizierung vor Übernahme der Schulleitungsposition, in vielen Ländern seit Jahren herrschende Praxis.

In der Lehrkräfteausbildung wird die Entwicklung von Führungskompetenzen bisher noch zu wenig in den Blick genommen. Die von mir (Prof. Huber, Anmerkung der Redaktion) mitinitiierte Initiative „Leadership in der Lehrerbildung“ will dies auch in Deutschland voranbringen. Sie dient der systematischen und nachhaltigen Entwicklung und Förderung von Kompetenzen für pädagogische Führung in der gesamten Lehrkräfteausbildung. In der Schule können Lehrkräfte sukzessive Verantwortung für Gestaltungs- und Führungsaufgaben außerhalb des Klassenzimmers übernehmen, die sich idealerweise zunehmend auch in Führungsfunktionen innerhalb des Schulsystems widerspiegeln. Somit vollzieht sich die Entwicklung zur pädagogischen Führungskraft entlang der Laufbahn einer Lehrkraft. Es handelt sich um einen lebenslangen Professionalisierungsprozess, der auch mit der Übernahme des Amtes einer Schulleiterin, eines Schulleiters, nicht endet.

Welche Trends gibt es in der Weiterbildungslandschaft?

Wir beobachten seit mehr als 20 Jahren national wie international die Führungskräfteentwicklung bzw. die Fort- und Weiterbildungslandschaft für pädagogische Führungskräfte. Trotz unterschiedlicher kultureller und institutioneller Traditionen lassen sich länderübergreifende Trends und Entwicklungstendenzen erkennen, die wir sehr begrüßen:

  • Auf Anbieter-Seite ist eine Entwicklung hin zu zentraler Qualitätssicherung und dezentraler Durchführung erkennbar. Neue Formen der Kooperation und Partnerschaften werden eingegangen.
  • Bezüglich Organisation und Umfang ist festzustellen, dass die Qualifizierungsprogramme umfangreicher werden, sie mehrphasig und modular angelegt sind und die Qualifizierung vermehrt vor Amtsantritt geschieht.
  • Die Zielgruppen werden differenzierter angesprochen: Qualifiziert werden Lehrkräfte, neu ernannte und berufserfahrene Schulleiterinnen und Schulleiter sowie Schulleitungsteams für Schulentwicklung.
  • Auch bezüglich der Inhalte lassen sich Trends erkennen: Die Qualifizierungen orientieren sich an der Zieltätigkeit von Schule, es gibt explizite Zielsetzungen, es werden neue Führungskonzeptionen berücksichtigt, die auch die Entwicklung der Persönlichkeit, statt die Anpassung an eine Rolle fokussieren. Als zentrale Elemente können Kommunikation und Kooperation ausgemacht werden. Schließlich ist ein thematischer Trend erkennbar weg von Management und Verwaltung hin zu Führung und Gestaltung.
  • Auf Seiten der Methoden zeigt sich ein vermehrter Einsatz von multiplen Lernanlässen, die insgesamt stärker das Lernen am „Workplace“ anstatt im „Workshop“ fokussieren. Theorie und Praxis werden systematisch verzahnt, Wissen wird (weiter)entwickelt ausgehend von Bedarfen und Bedürfnissen der Teilnehmenden, statt es nur zu vermitteln. Im Vordergrund der Professionalisierung stehen nunmehr Erfahrungs- und Anwendungsorientierung.

Vor welchen Herausforderungen stehen pädagogische Führungskräfte angesichts von Pandemie und Digitalisierung?

Die Corona-Zeit war und ist eine Phase hoher Belastungen, in der im Schulbereich zugleich vielfältige Innovationen initiiert und erprobt wurden. Eine Herausforderung für pädagogische Führungskräfte und die Schulgemeinschaft ist es nun, nicht vorschnell zum vorpandemischen Normalzustand zurückzukehren. Vielmehr geht es um strategisches Handeln im Sinne der BIO-Strategie (Huber 2021), die drei Aspekte umfasst: Bewahren, Innovieren, Optimieren. Bisher Erfolgreiches und Sinnvolles wird bewahrt, Neues und Wichtiges innoviert und das, was schon gemacht wird, wird verbessert im Sinne der Effektivität, oder im Aufwand reduziert im Sinne der Effizienz.

Vor diesem Hintergrund formuliert der digitale Wandel einen Anspruch an Schule, er kann aber gleichzeitig auch eine Ressource sein. In der Empfehlung der Kultusministerkonferenz „Lehren und Lernen in der digitalen Welt“ aus dem Jahr 2021 werden „Digital Leadership“ und die digitale Transformation als Aufgabe der Schulleitung und Schulaufsicht formuliert.

 

Für Führungshandeln und die Gestaltung der Schule (der Zukunft) in einer digitalisierten Welt ist es relevant, „Digitalität“ pädagogisch zu verstehen und im Rahmen des Schulmanagements und der Schulentwicklung sowie gemäß der schulspezifischen Strategie integrativ zu gestalten. Das betrifft die zentralen Handlungsbereiche Unterrichten, Erziehen und Beraten, aber auch Personal, Organisation, Bildungslandschaft und Qualitätsmanagement (Huber 2022).

Die Themen dieser Handlungsbereiche, adaptiert an digitalen Wandel, seien hier angedeutet:

  • Unterrichten: u.a. digitale Transformationsprozesse, digitale Lehr- und Lernressourcen, Schüler- und Kompetenzorientierung, Veränderung der Lernsettings und -kultur, Diagnostik und individuelle Förderung, selbstorganisiertes Lernen, digitale Aufgaben- und Prüfungsformate.
  • Erziehen: u. a. verantwortliche Mediennutzung, Informationskritik, Medienrecht und -ethik, Regeln, Normen und Werte.
  • Beraten: u.a. digitale Möglichkeiten der Lernberatung, medienpädagogische Beratungskonzepte, interne und externe Kommunikationskonzepte.

„Qualitätsmanagement ist für Schulleitungshandeln von zentraler Bedeutung.“

Den übergreifenden Rahmen bilden die schulleitungsspezifischen Dimensionen Personal, Organisation, Bildungslandschaft und Qualitätsmanagement:

  • Personal wird z.B. im Hinblick auf die kontinuierliche Professionalisierung des Kollegiums, multiprofessionelle Kooperationen und professionelle Lerngemeinschaften, digitale Kooperationsformen und Unterstützungsmechanismen für die Umsetzung neuer Lehr-Lern-Arrangements in der Praxis behandelt.
  • Organisation von Schule und Unterricht umfasst u.a. die technische Ausstattung und digitale Gesamtarchitektur, die Anpassung von Strukturen und Prozessen, Wissensmanagement, die Nutzung von digitalen Möglichkeiten in der Organisation und Verwaltung von Schule, Entwicklung eines schulischen Medienkonzepts.
  • Bildungslandschaft fokussiert u.a. die Zusammenarbeit mit Schulträgern und Schulaufsicht sowie weiteren (außerschulischen) Partnern.
  • Qualitätsmanagement umfasst die Sicherung und Weiterentwicklung all der oben skizzierten Handlungsbereiche und ist für Schulleitungshandeln von zentraler Bedeutung, etwa für die avisierten kontinuierlichen Verbesserungsprozesse und die schulischen Innovationsprozesse im digitalen Wandel. Dazu zählen u.a. die Entwicklung eines schulischen Medienkonzepts, digitale Kooperationsformen mit (außer-)schulischen Partnern, schulische Innovationsprozesse anregen, gestalten und steuern, Fortbildungskonzepte zur Professionalisierung des Kollegiums entwickeln u.v.m.

Was brauchen Schulleitungen neben ihrer eigenen Qualifizierung noch zur professionellen Ausübung ihres Berufs?

Zur Bewältigung ihrer Aufgaben brauchen pädagogische Führungskräfte eine angemessene Leitungszeit und Entlohnung. In einer großen Schulleitungsstudie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechtenstein mit 5400 Personen (Huber, Wolfgramm & Kilic 2013a, b, 2014; Huber 2012) haben wir überprüft, welche Faktoren zu einer hohen beruflichen Belastung führen und manchmal emotionale Erschöpfung im Sinne von Burnout zur Folge haben. Es zeigte sich, dass dies in Grundschulen, Hauptschulen und Werkrealschulen in stärkerem Maße der Fall ist.

Die Leitung solcher Schulen scheint also mit einer besonders hohen beruflichen Belastung verbunden zu sein.

Führungskräfte an diesen kleineren Schulen haben eine geringe Leitungszeit zur Verfügung. Oft fehlen zudem administrative, unterstützende Strukturen wie ein Sekretariat. Schulleitungen an kleinen Schulen haben außerdem auch aufgrund der geringen Zahl an Lehrkräften im Kollegium wenig Möglichkeiten, Aufgaben zu delegieren. Wichtig ist in einer kooperativen Organisation daher, dass auch Kollegen, die Führungsaufgaben übernehmen, eine entsprechende “Mitleitungszeit” zugestanden wird.

Neben diesen Aspekten spielen Unterstützungs- und Beratungsangebote sowie Coaching eine entscheidende Rolle, insbesondere, wenn die Anforderungen gelegentlich in eine Überforderung münden.

„Auch zeitliche Ressourcen für die Fachschaftsleitungen, Jahrgangsleitungen und für die Mitglieder der Steuergruppe wirken entlastend.“

Es gilt ganz allgemein, pädagogische Führungskräfte zu stärken, indem Flaschenhälse im Schnittstellenmanagement geweitet und Entlastung in der Zusammenarbeit mit zentralen Ansprechpartnern der Schulleitungen herbeigeführt werden - beispielsweise mit dem Ausbau von Sekretariaten, mit Arbeitszeitmodellen einer kooperativen Führung, mit einer starken Stellvertretung und einer erweiterten Schulleitung. Auch zeitliche Ressourcen für die Fachschaftsleitungen, Jahrgangsleitungen und für die Mitglieder der Steuergruppe wirken entlastend. Im Ergebnis können sich so die wichtigen und verantwortlichen Aufgaben einer Koordination im Rahmen von Schulmanagement und Führung auf mehrere Personen verteilen.

10 Prämissen guten Führungshandelns

Die in einer Kurzübersicht vorgestellten zehn Prämissen zeigen das Gesamtspektrum von Anforderungen und Kompetenzen, die zur Professionalität pädagogischer Führungskräfte gehören und die als profundes Leitungshandeln in unterschiedlichen Situationen zur Anwendung kommen und sichtbar sind.

 

1. Bildungsorientierte Führung

2. Gesellschaftsorientierte Führung

3. Verantwortliche Führung

4. Strategische Führung

5. Kooperative Führung

6. Mitarbeitendenorientierte Führung

7. Salutogene Führung

8. Administrative Führung

9. Sinnstiftende Führung

10. Situative Führung

 

Prof. Huber arbeitet derzeit an einer detaillierten Beschreibung der zehn Prämissen guten Führungshandelns. Nach Fertigstellung werden sie von ihm in einem weiteren Gastbeitrag im Online-Magazin schulmanagement ausführlich dargestellt.