Kolumne

Zu viele Reformen und Veränderungen in den Schulen? Die größte Veränderung kommt erst noch!

Florian Nuxoll über neue Bildungspläne, Lehrpläne, Schulformen und die Veränderungen mit Ankunft der künstlichen Intelligenz.

In unseren Schulen herrscht kein Mangel – zumindest nicht an Veränderungen. Es gibt regelmäßig neue Bildungspläne bzw. je nach Bundesland Lehrpläne oder Kerncurricula, neue Schulformen werden eingeführt und manchmal auch wieder abgeschafft und man hat das Gefühl, dass fleißig zwischen G9 und G8 gewechselt wird.

Diese und andere Veränderungen folgen Schlag auf Schlag und scheinen oft mehr Unruhe zu stiften, als dass sie zum Bildungsauftrag beitragen. Bei all diesen Reformen frage ich mich, ob wir dadurch den Blick für das Wesentliche, für das eigentliche Ziel von Schule verlieren.

Ich habe festgestellt, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen – und auch ich selbst – zunehmend von einer Art Veränderungsmüdigkeit erfasst werden. Diese Ermüdung rührt nicht nur daher, dass wir uns ständig an neue Rahmenbedingungen anpassen müssen, sondern auch aus dem Gefühl, dass diese Veränderungen uns von unserer eigentlichen Aufgabe abhalten: dem Unterrichten.

Manchmal wurden sogar Revolutionen versprochen, die dann nicht eingetreten sind. „Der Spiegel“ titelte bereits im Jahr 1984 „Revolution im Unterricht – Computer wird Pflicht“. Der Artikel skizzierte eine Zukunft, in der Computer das Lernen und Lehren grundlegend verändern würden. Doch dieses Versprechen hat sich in der erwarteten Form nicht erfüllt. Lehrkräfte, die damals als Referendare voller Enthusiasmus dieser angekündigten Revolution entgegensahen, nähern sich heute dem Ende ihrer beruflichen Laufbahn – einige sind vielleicht schon im Ruhestand. Sie haben feststellen müssen, dass die versprochene digitale Revolution in ihren Klassenzimmern größtenteils ausgeblieben ist. Die Gründe hierfür sind vielfältig, doch oft lag es nicht allein an der mangelnden digitalen Infrastruktur. In vielen Fällen erwies sich der traditionelle, analoge Unterricht aus verschiedenen Gründen als die praktikablere Option.

Trotz der zum Teil negativen Erfahrungen, mit Veränderungen bzw. versprochenen Veränderungen, müssen wir jetzt unbedingt aus unserer Veränderungsmüdigkeit aufwachen!

Die Ankunft künstlicher Intelligenz markiert nämlich einen Wendepunkt

Die Ankunft künstlicher Intelligenz markiert nämlich einen Wendepunkt, und ich bin überzeugt, dass wir diesmal tatsächlich an der Schwelle zu einer echten Revolution stehen. Die Art und Weise, wie wir Schule und Bildung verstehen, steht vor grundlegenden Veränderungen. Wenn ich diese These in Diskussionen einbringe, begegne ich oft der Skepsis erfahrener Schulentwickler. Sie erinnern mich daran, dass sie ähnliche Hoffnungen schon vor 10, 15 oder 20 Jahren hegten. Sie warnen mich vor der Enttäuschung, die das Beharrungsvermögen des deutschen Schulsystems mit sich bringen könnte.

Doch dieses Mal ist die Situation eine andere, das müssen Sie mir glauben. Die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz, sei es durch generative KI-Systeme wie ChatGPT oder durch intelligente Tutorensysteme, deren Zahl noch begrenzt ist, erzeugen einen derartigen transformativen Druck, dass das Bildungssystem darauf reagieren muss. Hier nur ein kleines Beispiel. Als Lehrkraft stehe ich bereits vor Herausforderungen, wie der Bewertung von Seminar- oder Facharbeiten. Ein Experiment mit meinem Seminarkurs hat gezeigt: Innerhalb von 18 Minuten konnten wir mit ChatGPT von der Ideenfindung zum fertigen 10 seitigen Text gelangen, lediglich die Quellenangaben waren ungenügend. Der Inhalt der Arbeit war jedoch von hoher Qualität.

In meiner nächsten Kolumne werde ich detaillierter darauf eingehen, wie KI die Bildungslandschaft umgestalten wird. Doch eines sei vorweggenommen: Intelligente Tutorensysteme werden individuell zugeschnittenen Unterricht ermöglichen, generative KI werden Lehrkräfte bei der Unterrichtsvorbereitung und bald auch bei der Korrektur erheblich entlasten, und fortgeschrittene Übersetzungstools, die auch mündliche Sprache verstehen und erzeugen können, werden die Rolle von Fremdsprachen im Schulunterricht verändern.

Es liegt nun an den Fortbildnern, Schulleitungen und der Bildungsbürokratie, die Lehrkräfte auf diese Veränderungen vorzubereiten. Ein effektives Change Management wird entscheidend sein, um den Übergang zu gestalten und die Potenziale der KI im Bildungsbereich voll auszuschöpfen. Deutschland muss zum Vorreiter werden, was KI in der Schule betrifft. Obwohl … der Realist in mir möchte den letzten Satz umformulieren: Deutschland darf nicht das Schlusslicht in der EU sein, wenn es um KI in den Schulen geht!