Lehramtsstudium ade: Warum angehende Lehrkräfte ihr Studium abbrechen
Längst nicht alle Studierenden, die gerade ein Lehramtsstudium beginnen, werden dieses auch abschließen. Dr. Anna Hartl hat untersucht, warum Lehramtsstudierende abbrechen.
Das erste Mal vor einer Klasse stehen und unterrichten – während des Studiums wächst bei vielen Lehramtsstudierenden die Freude auf diesen Moment. Doch bei vielen hält diese Phase der Euphorie nicht lange genug an, sie brechen das Studium vorzeitig ab. Dafür gibt es drei Arten von Gründen, meint Dr. Anna Hartl im Gastbeitrag.
Auch wenn Studien zeigen, dass der Lehrkräftemangel hauptsächlich durch Berufsabbrüche und (Früh-)Pensionierungen verursacht wird, ist es dennoch wichtig, dafür zu sorgen, dass Lehramtsstudierende ihr Studium erfolgreich abschließen und gesund in den Beruf einsteigen, denn alle Prognosen deuten darauf hin, dass sich der Lehrkräftemangel in den kommenden Jahren noch verschärfen wird.
Welche negativen Gedanken Lehramtsstudierende besonders plagen
Viel zu tun und wenig Zeit – Lehramtsstudierende stehen bis zum Ende ihrer Ausbildung vor vielen Herausforderungen. Gerade eine hohe Arbeitsbelastung und Zeitdruck können langfristig zu Erschöpfung oder Studienabbruchgedanken führen. Allerdings führt in der Regel erst eine Kombination aus verschiedenen Gründen zum tatsächlichen Studienabbruch.
In einer gemeinsamen Studie (2022) habe ich mit Kolleginnen und Kollegen 1.195 Studienabbruchgründe aus 587 Antworten von Lehramtsstudierenden an vier Universitäten verschiedener Bundesländer ausgewertet. Dabei konnten wir drei Hauptgründe ausmachen, warum Lehramtsstudierende daran denken, ihr Studium abzubrechen: Leistungsprobleme, eine mangelnde Studienmotivation und die Studienbedingungen.
1. Leistungsprobleme
Von Leistungsproblemen berichteten 459 Lehramtsstudierende. Genannt wurden beispielsweise hohe Prüfungsanforderungen, die Angst vor Nichtbestehen oder schlechtem Bestehen von Prüfungen, eine damit verbundene Arbeitsbelastung, die als zu hoch wahrgenommen wird, und das Gefühl, durch den Leistungsdruck generell überfordert zu sein. Leistungsprobleme wurden aber auch genannt, wenn Zweifel an der Wahl der Studienfächer aufkamen.
„Negative praktische Erfahrungen, zum Beispiel im Rahmen von Schulpraktika, tragen dazu bei, dass Studienabbruchgedanken im fortgeschrittenen Studium präsenter werden.“
Dr. Anna Hartl
Ein Studienabbruch im Lehramtsstudium aufgrund von Leistungsproblemen findet in der Regel zu einem frühen Zeitpunkt im Studium statt. Spätere Zweifel an der Berufseignung kommen vor, wenn die Leistung in praktischen Phasen des Studiums angezweifelt wird. So tragen negative praktische Erfahrungen, zum Beispiel im Rahmen von Schulpraktika, dazu bei, dass Studienabbruchgedanken im fortgeschrittenen Studium präsenter werden.
2. Mangelnde Studienmotivation
Eine mangelnde Studienmotivation wurde von 161 Studierenden genannt, darunter Gründe wie Zweifel an der Wahl des Studiengangs oder des Studienfachs, nachlassendes oder mangelndes Interesse an den gewählten Fächern oder auch falsche Erwartungen an das Studium. Auch Gründe wie ungewisse Berufsaussichten oder ein mangelndes Interesse an einem Studium generell spielen eine Rolle.
„Von Studierenden wurde immer wieder kritisiert, dass kein Platz in der gewünschten Lehrveranstaltung verfügbar war.“
Dr. Anna Hartl
3. Studienbedingungen
Von großer praktischer Bedeutung sind auch die Studienbedingungen, die von 126 Studierenden explizit als problematisch benannt wurden. Neben einer unzureichenden Studienorganisation wird auch die Studiendauer von den Studierenden als belastend wahrgenommen. Bei der konkreten Ausgestaltung des Lehrveranstaltungsangebotes wurde von Studierenden immer wieder kritisiert, dass kein Platz in der gewünschten Lehrveranstaltung verfügbar war und es an entsprechender Unterstützung durch Dozierende mangelt. Dagegen gaben nur wenige Lehramtsstudierende an, dass die Anonymität des Studiums für sie ein Problem darstelle. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass es trotz der komplexen Struktur des Lehramtsstudiums möglich ist, ein stabiles Netzwerk zu anderen Studierenden aufzubauen.
Abbruchgefährdete Lehramtsstudierende empfinden die Struktur des Studiums als zu kompliziert
Während Leistungsprobleme und mangelnde Studienmotivation auch für Studierende anderer Studienfächer Hauptabbruchgründe darstellen, nehmen Lehramtsstudierende insbesondere die Studienbedingungen als besonders belastend wahr. Dies ist möglicherweise der komplexen Struktur des Lehramtsstudiums geschuldet: Lehramtsstudierende müssen, je nach Schulform und -fächern, unterschiedlich große Anteile an fachwissenschaftlichen, bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Veranstaltungen absolvieren sowie Praxisphasen durchlaufen. Manchen fällt es offenbar schwer, diese Veranstaltungen eigenständig zu koordinieren und einen funktionierenden Studienplan für sich zu erstellen. Je nach Fächerkombination ist das Lehramtsstudium aber auch gekennzeichnet durch ein wechselndes Umfeld von Mitstudierenden.
Was Universitäten tun können, damit Studierende am Ball bleiben
Den Kampf gegen den Lehrkräftemangel können die Universitäten sicherlich nicht alleine führen, und doch deuten die Ergebnisse der Studienabbruchgedanken von Lehramtsstudierenden auf Verbesserungspotential hin. Während Leistungsprobleme und mangelnde Motivation der Lehramtsstudierenden zwar nur bedingt von den Universitäten zu beeinflussen sind – sie können beispielsweise mehr Tutorien anbieten oder, je nach Umfang des Studiengangs, Motivationsschreiben zur Bedingung für einen Studienantritt machen –, ergeben sich hinsichtlich der Studienbedingungen durchaus Handlungsmöglichkeiten.
„Eine Mammutaufgabe im Lehramtsstudium ist sicherlich, dass Lehrveranstaltungen sowohl inhaltlich als auch zeitlich aufeinander abgestimmt sein sollten.“
Dr. Anna Hartl
Es scheint möglich, Studienabbruchgedanken von Lehramtsstudierenden zu reduzieren, wenn Studienprozesse generell besser aufeinander abgestimmt werden. Eine Mammutaufgabe im Lehramtsstudium ist sicherlich, dass Lehrveranstaltungen sowohl inhaltlich als auch zeitlich aufeinander abgestimmt sein sollten und ausreichend Plätze geschaffen werden müssen, damit das Studium prinzipiell in der Regelstudienzeit absolviert werden kann.
Dozenten und Dozentinnen könnten Studierende besser unterstützen
Eine bedeutende Rolle kommt in diesem Zusammenhang auch den Dozierenden zu. Während die Lehramtsstudierenden angaben, dass sie durchgehend gute emotionale Unterstützung durch ihre Mitstudierenden erfahren, zeigte sich, dass eine fehlende Unterstützung durch Dozierende häufig der Grund für ihre Studienabbruchgedanken sind. Dozierende müssen sich bewusst sein, dass sie maßgebliche Akteure in der Zusammenarbeit mit Studierenden sind, indem sie Lehrveranstaltungen und Modulabschlussprüfungen gestalten und in regelmäßigem Austausch mit den Studierenden stehen. Aber auch Seminare können so ausgerichtet sein, dass sie das Wohlbefinden der Studierenden steigern, zum Beispiel, indem sie die Zusammenarbeit zwischen Studierenden stärken, routinemäßig individuelles Feedback geben oder Strategien zum Meistern von Herausforderungen vermitteln. Informationen und Fristen müssen transparent kommuniziert, Beratungsangebote ausgebaut werden.
Mit Blick auf den kompletten Ausbildungsverlauf ist es wichtig, dass die verschiedenen Phasen ineinandergreifen und aufeinander abgestimmt sind. Bestrebungen in diese Richtung wurden in den letzten Jahren von der Qualitätsoffensive Lehrkräftebildung immer wieder vorgenommen. Deshalb sind Begriffe wie „Kohärenz“ oder „Lehrerausbildung aus einem Guss“ keine neuen, aber weiterhin aktuelle Forderungen.