Neue Impulse der Leopoldina: Selbstregulation als Schlüsselkompetenz

Wie fördern wir das Wohlergehen unserer Kinder?

Die Empfehlungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina nehmen die sogenannten Selbstregulationskompetenzen junger Menschen in den Blick. Sie sollen wieder ihre Entwicklungsmöglichkeiten wahrnehmen und entfalten können. Die Autorinnen und Autoren liefern mit ihrer Stellungnahme eine neue Perspektive auf unser Bildungssystem, in dem Bildungspotenziale wieder vollends ausgeschöpft werden sollen.

Junge Menschen leiden zunehmend unter psychischen Problemen. Grundlegende Veränderungen in ihrer Lebenswelt, wie Kriege und Klimakrise, führen zu starken Sorgen und tiefen Zukunftsängsten. Sozioökonomische Einflüsse, Flucht- und Zuwanderungshintergründe sowie Gewalt- und Mobbingerfahrungen tragen dazu bei, dass die Kompetenzstände im Bereich Bildung stetig sinken.

Selbstregulationskompetenzen, wie emotionale oder motivationale Kompetenzen, kommen deshalb eine zentrale Bedeutung zu. Um diese zu fördern, spricht die Leopoldina folgende, hier zusammengefasste Handlungsempfehlungen aus:

  • Die Förderung der Selbstregulationskompetenzen von Kindern und Jugendlichen sollte als grundlegendes Ziel im deutschen Bildungssystem verankert werden.

    Die frühkindliche Förderung von Selbstregulationskompetenzen ist besonders wichtig und muss stärker in die Lehrpläne von Kitas und Schulen integriert werden. Auch die Ausbildung von Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern sowie Fachkräften für Schulsozialarbeit braucht eine Anpassung, um diese Kompetenzen effektiv zu vermitteln. Die Kultusministerkonferenz (KMK) sollte entsprechende Standards setzen. Bildungseinrichtungen und ihre Träger sind dazu aufgerufen, pädagogische Förderkonzepte zu entwickeln, während Elternbeiräte und Schulkonferenzen diesen Prozess unterstützen. Auch Verbände und Gewerkschaften sollten sich aktiv an der Diskussion und Umsetzung beteiligen.

     
  • Die Entwicklung von Messgrößen für Selbstregulationskompetenzen sollte vorangetrieben und in das nationale Bildungsmonitoring sowie die Schulentwicklung der Bundesländer eingebunden werden.

    Trotz ihrer Bedeutung wird die Förderung der Selbstregulationskompetenzen bisher nicht ausreichend beachtet, da sie nicht systematisch im Bildungsmonitoring erfasst wird und Schulen keine geeigneten Instrumente zur Messung haben. Indikatoren sollten neu entwickelt bzw. angepasst werden, damit zukünftig z. B. auch Vorschulkinder erfasst werden. Die erhobenen Daten könnten wiederum genutzt werden, um die Qualität von Unterricht und Schulentwicklung zu verbessern. Zudem bietet es sich an, die Datengrundlage zur Selbstregulation und psychischen Gesundheit zu erweitern – auch durch innovative Methoden wie Smartphone-Befragungen – und in medizinische Standarduntersuchungen zu integrieren.

     
  • Wirksame Strategien zur Förderung von Selbstregulationskompetenzen in Kitas und Schulen sollten entwickelt, in alle Lehrpläne aufgenommen und regelmäßig überprüft sowie verbessert werden.

    Die Förderung soll aktiv in den Alltag von Kitas und Schulen eingebunden werden. Dafür müssen Fachkräfte tiefgreifend wissen, was Selbstregulationskompetenzen sind und wie sie diese fördern können. Einrichtungen sollten einheitliche Konzepte nutzen, damit Kinder und Jugendliche nicht mit widersprüchlichen Ansätzen konfrontiert werden. Es braucht dabei spezifische Angebote für unterschiedliche Gruppen, auch für besonders vulnerable. Ein breites Förderspektrum gibt Kindern die Chance, passende Angebote zu finden. Dafür ist eine enge Zusammenarbeit mit Personen aus dem Sport- und Gesundheitsbereich notwendig. Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte prüfen und verbessern im Idealfall regelmäßig die umgesetzten Maßnahmen. Ein umfassendes Förderkompendium sollte erstellt und regelmäßig aktualisiert werden, um bei der Auswahl der besten Förderstrategien zu helfen. Forschungsprojekte in Kooperation mit Schulen und Kitas unterstützen die Weiterentwicklung der Ansätze und sichern ihre langfristige Wirksamkeit.

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Im Interview erläutert Prof. Ulrich Trautwein die neuen Handlungsempfehlungen der Leopoldina.