Schulhunde: Wie tiergestützte Pädagogik das Klassenklima verändert

Dr. Mona Mombeck spricht über den Einsatz von Hunden in der Schule – und welchen Einfluss sie auf das Sozialverhalten der Schüler:innen haben können

Inklusion, Diversität, soziale und emotionale Herausforderungen – der schulische Alltag ist komplexer denn je. Tiergestützte Pädagogik, wie der Einsatz von Schulhunden, bietet neue Ansätze, die das Lernsetting in einer Schulklasse entscheidend verändern können. Dr. Mona Maria Mombeck, Expertin für tiergestützte Interventionen, spricht im Interview über die Vorteile, Herausforderungen und organisatorischen Rahmenbedingungen beim Einsatz von Hunden in der Schule und erklärt, warum die Vierbeiner nicht nur für Schüler:innen, sondern auch für Lehrkräfte eine Bereicherung sind.

Redaktion: Frau Dr. Mombeck, Sie beschäftigen sich mit inklusiver Pädagogik und tiergestützten Interventionen, unter anderem dem Einsatz von Schulhunden: Wie genau kann man sich den Einsatz von Schulhunden eigentlich vorstellen?

Dr. Mona Maria Mombeck: Der Einsatz von Schulhunden ist sehr individuell und hängt vom Hund, der Lehrkraft und dem Setting ab. Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze: Manche Hunde sind hauptsächlich präsent und bewegen sich frei im Klassenzimmer umher. Andere werden zudem aktiv in den Unterricht eingebunden und übernehmen kleine Aufgaben, zum Beispiel indem sie Aufgabenzettel verteilen, im Mathematikunterricht würfeln, indem mit ihnen Tricks eingeübt werden oder Hundesport ausgeübt wird. Unabhängig von der Art und Weise, wie der Hund eingebunden wird, sollte das Tier immer Tier bleiben dürfen, mit seinen artspezifischen und individuellen Bedürfnissen. Dazu gehört auch, die Zeit, in der mit Hund unterrichtet wird, zu begrenzen und nur in ausgewählten Klassen umzusetzen. Das Projekt Schulhund ist allerdings kein Selbstläufer, sondern ein pädagogischer Ansatz, der einer umfangreichen Ausbildung und Vorbereitung bedarf.

Redaktion: Wie agiert die Lehrkraft in diesem Setting?

Mombeck: Die Lehrkraft trägt die Verantwortung dafür, dass die Bedürfnisse des Hundes sowie der Lernenden erfüllt werden, sodass sowohl Hund als auch Schüler:innen durch die tiergestützte Pädagogik einen Mehrwert erfahren. Dabei spielt die Vorbereitung eine entscheidende Rolle: Der Hund wird schrittweise an das Schulsetting gewöhnt und mit den Schüler:innen werden Regeln zum Wohlbefinden aller Beteiligten aufgestellt, zum Beispiel, dass der Hund nicht während des Unterrichts gerufen wird und dieser frei entscheiden kann, wo er sich aufhält. Durch diese Regeln werden Schüler:innen für die Bedürfnisse des Hundes sensibilisiert und sie lernen Respekt vor und Umgang mit Grenzen – eine wichtige pädagogische Lektion. Schulhunde sind immer Hunde, die mit der Lehrkraft zusammenleben und sollten auch nur in dieser Konstellation zusammenarbeiten, denn die enge Bindung und das Vertrauen zwischen Lehrkraft und Hund sind wichtig für den Erfolg tiergestützter Pädagogik. Lehrkraft und Hund haben idealerweise eine Ausbildung absolviert. Ressourcen wie das Qualitätsnetzwerk Schulbegleithunde, das QNS, (Link dazu unter diesem Artikel, Anm. d. Red.) bieten hilfreiche Informationen, Weiterbildungen, regionale Netzwerke zum Austausch und Praxisbeispiele, um den Einsatz professionell und tierschutzgerecht zu gestalten. Entscheidend ist, dass das Tier nicht als „Mittel zum Zweck“ verstanden wird, sondern als individuelles Wesen mit eigenen Bedürfnissen. Auch hier setzt das QNS an mit der Kampagne zur Gleichwürdigkeit von Mensch und Hund. Ziel ist, dass alle Beteiligten, Mensch und Hund, einen Mehrwert im gemeinsamen Setting erfahren. Die Forschung zeigt, dass die meisten Kinder den intrinsischen Wunsch haben, im Sinne des Hundes zu handeln und für diesen zu sorgen, denn Tiere aktivieren unser Bindungs- und Fürsorgeverhalten. Das Wissen über den artgerechten Umgang mit Hunden muss jedoch vermittelt werden. Daran anknüpfend kann eine Lehrkraft dann auch die Fürsorge und die Grenzen im zwischenmenschlichen Kontext thematisieren sowie die eigenen Grenzen und Bedürfnisse eines jeden Kindes in der Klasse. So lernen Schüler:innen die Bedürfnisse von Tieren, anderen Menschen und von sich selbst zu erkennen und darauf Rücksicht zu nehmen.

Redaktion: Was sagt denn die Forschung über den Einfluss von Schulhunden auf Unterricht und Lernsituationen an Schulen?

Mombeck: Studien zeigen, dass der Einsatz von Schulhunden vielfältige positive Effekte haben kann. Durch die Nähe zu Tieren wird das “Bindungshormon” Oxytocin ausgeschüttet, das Stress reduziert und soziale Interaktionen fördert. Ein besonderer Vorteil ist, dass auch Kinder mit nicht sichereren Bindungsmustern durch die Interaktion mit Tieren Oxytocin ausschütten und so Vertrauens- und Beziehungsaufbau erleichtert werden. Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Klassenstufen und Schulformen berichten von besserer Konzentration, mehr Motivation, einem gesteigerten Wohlbefinden, einem positiven Einfluss auf zwischenmenschliche Beziehungen und von einer verbesserten Arbeitsatmosphäre. Das führt dazu, dass Schulklassen ruhiger werden, die Konzentrationsfähigkeit und prosoziales Verhalten zunehmen, entgegen der Befürchtung mancher Eltern, dass ein Hund für mehr Unruhe sorgen könnte.

„Die Interaktion mit dem Hund verändert die gegenseitige Wahrnehmung und kann Vorurteile abbauen.“

Dr. Mona Maria Mombeck

Redaktion: Wie genau verändert sich das Sozialverhalten?

Mombeck: Das Tier wird häufig als „soziales Bindeglied“ zwischen der Lehrkraft und den Schüler:innen sowie zwischen den Lernenden untereinander beschrieben: Die Interaktion mit dem Hund verändert die gegenseitige Wahrnehmung und kann Vorurteile abbauen. Ein Kind, dem eine schlechte Emotionsregulation zugesprochen wird, das aber geduldig und fürsorglich mit einem Hund interagiert, wird dadurch in einem neuen Licht gesehen. Verwundert berichten dann Schüler:innen über Mitschüler:innen: “Ich hätte es nicht gedacht, dass dieses oder jenes Kind so liebevoll mit dem Hund umgeht”. Auch die Gruppenstrukturen in der Klasse verändern sich. Statt Cliquen bildet sich eine gemeinsame Identifikation, wie etwa: „Wir sind die Hundeklasse“. Der gut geplante Unterricht mit Hund, bei dem sowohl Hund als auch Schüler:innen in ihren individuellen Bedürfnissen wahrgenommen werden, fördert auch den Abbau geschlechtsspezifischer Stereotype. Jungen wenden sich liebevoll dem Tier zu und zeigen Fürsorge, ohne Angst vor einer Bewertung, denn einem Tier öffentlich gefühlvoll zu begegnen ist gesellschaftlich akzeptiert. Ein Bild von Männlichkeit, das wenig Emotionalität zulässt, kann aufgeweicht und ersetzt werden durch ein Menschen- und Männlichkeitsbild, in dem ein breites Gefühlsspektrum und Fürsorge ein wichtiger Teil jeder Person sind.

Redaktion: Wirken Schulhunde auch vorteilhaft auf Lehrkräfte?

Mombeck: Lehrkräften, die mit ihrem Hund unterrichten, wird von den Schüler:innen mehr Vertrauen entgegengebracht und sie werden als freundlich, fair und authentisch wahrgenommen, das zeigen unsere Studien. Indem die Lehrkraft liebevoll und wertschätzend mit ihrem Hund interagiert, offenbart sie Perspektiven auf ihre Person, die über die soziale Rolle “Lehrkraft” hinausgehen. Lernende beobachten diese Interaktion, erhalten dadurch ein vielschichtiges Bild von einer Person und ziehen Schlüsse für ihre eigene Interaktion und Beziehungsgestaltung mit der Lehrkraft. Zudem schafft die Anwesenheit des Hundes eine unverfängliche Gesprächsbasis und erleichtert auch in sensiblen Situationen den Zugang zu Kindern. Über den Hund zu sprechen und mit ihm zu interagieren ist einfach, es verbindet, ist persönlich, häufig auf der Gefühlsebene. Aus dieser Situation heraus Probleme anzusprechen ist deutlich leichter als ohne Hund. Nicht zu unterschätzen sind zudem die Selbstwirksamkeitserfahrungen und die Freude, die Lehrkräfte durch die Zusammenarbeit mit ihrem Hund erfahren. Mit dem eigenen Hund zu unterrichten ist ein Herzensthema. Jedoch fühlen sich Lehrkräfte durch den Hund an ihrer Seite auch verletzlicher, da die Verantwortung für Lernende und den Hund, das geliebte Familienmitglied, auch Herausforderungen mit sich bringt. Lehrkräfte empfinden es neben all den Vorteilen als belastend, während des Unterrichts sowohl auf Lernende als auch auf den Hund zu achten. Hinzu kommen ein erhöhter Arbeitsaufwand in der Vorbereitung, zusätzliche Ressourcen für die Weiter- bzw. Ausbildung sowie vermehrte Kommunikation, zum Beispiel durch die Vorstellung des Konzepts.

Redaktion: Sie haben schon gängige Befürchtungen angesprochen. Etwa, dass so ein Hund in der Klasse doch vor allem ablenkt, so dass sich die Kinder nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren können. Können Sie nochmals genauer erklären, warum diese Sorge unbegründet ist?

Mombeck: Diese Sorge ist nachvollziehbar, aber die Praxis zeigt, dass bei sorgsamer Vorbereitung und Planung die Anwesenheit eines Schulhundes das Gegenteil bewirkt. Natürlich gibt es zu Beginn, wenn der Hund neu in die Klasse kommt, eine Phase der Aufregung und eine große Erwartungshaltung. Deshalb ist es wichtig, sich in den ersten Stunden bewusst Zeit zu nehmen, damit die Kinder und der Hund in dem neuen Setting ankommen können. Nach zwei bis drei Stunden wird der Hund jedoch zunehmend als Teil der Klassengemeinschaft wahrgenommen, Fürsorge für das Tier und Rücksichtnahme werden zur Routine und der Fokus verschiebt sich auf die Lerninhalte. Kinder berichten in Interviews, dass der Hund nicht durchgehend beobachtet wird, sondern vielmehr eine Strategie der Selbstregulation bietet: Kinder können sich kurz auf den Hund konzentrieren, um Stress abzubauen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Unterricht richten.

Redaktion: Inwiefern spielen Routinen und Strukturen beim Einsatz eines Schulhundes eine wichtige Rolle?

Mombeck: Routinen und Regeln spielen eine zentrale Rolle, denn durch sie kann ein reibungsloser Ablauf garantiert werden. So wird der Klassenraum vor dem Einsatz des Hundes aufgeräumt, Schultaschen werden geschlossen, oft gibt es einen „Hundedienst“, der sich um die Decke, die Ruheplätze und den Wassernapf des Tieres kümmert. Diese Aufgaben fördern die Verantwortung und die soziale Teilhabe, da auch Kinder zusammenarbeiten, die sonst vielleicht wenig Kontakt haben, für den Hund geht man Kompromisse ein.

„Wie bei jeder Innovation geht es letztlich darum, Ängste ernst zu nehmen, Verständnis zu zeigen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.“

Dr. Mona Maria Mombeck

Redaktion: Mit welchen Herausforderungen und Ängsten muss sich eine Schule auseinandersetzen, wenn sie einen Schulhund einsetzen möchte?

Mombeck: Es gibt einige Herausforderungen, die bedacht werden müssen, wie Angst vor Hunden, Allergien, kulturell bedingte unterschiedliche Wahrnehmungen von Hunden oder Bedenken bezüglich der Hygiene. In solchen Fällen ist Kommunikation der Schlüssel. Bereits vor der Einführung eines Schulhundes sollten Erziehungsberechtigte, Schüler:innen und Kolleg:innen frühzeitig einbezogen werden, um Unsicherheiten abzubauen und gemeinsame Lösungen zu finden. Manche Schulen fragen bereits vor der Einschulung, ob Interesse an tiergestütztem Unterricht besteht. Manche Schüler:innen lassen sich trotz ihrer Ängste auf das Projekt Schulhund ein, oft mit dem Ergebnis, dass zumindest die Ängste vor dem Schulhund Schritt für Schritt abgebaut werden und die betroffenen Kinder diese Erfahrung als bereichernd empfinden. Ein zentraler Aspekt ist die Hygiene. Lehrkräfte legen oft Hygienepläne vor, in denen zum Beispiel Impfstatus und Pflege des Hundes dokumentiert werden. Rituale für regelmäßiges Händewaschen vor und nach der Stunde sowie vor dem Essen werden eingeführt, um hygienische Standards zu gewährleisten. Studien zeigen zwar, dass an einer Hundepfote weniger Bakterien haften als an einer menschlichen Schuhsohle, dennoch halten sich Vorurteile über die Sauberkeit von Hunden, die aktiv durch Aufklärung und Information abgebaut werden müssen. Auch Bedenken, wie der mögliche Geruch eines Hundes im Klassenraum, können individuell besprochen werden. Ebenso wichtig ist es, ein klares Konzept zu entwickeln: Wie wird der Hund eingesetzt? Welche Ziele sollen erreicht werden? Wie wird das Wohlbefinden des Hundes garantiert und welchen Plan B gibt es? Absprachen und Rahmenpläne helfen dabei, Schulleitungen, Lehrkräfte und Erziehungsberechtigte zu überzeugen und schaffen Sicherheit. Wie bei jeder Innovation geht es letztlich darum, Ängste ernst zu nehmen, Verständnis zu zeigen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Mit einer offenen und klaren Kommunikation können Herausforderungen gemeistert werden, sodass die positiven Auswirkungen eines Schulhundes im Vordergrund stehen.

Redaktion: Verändert sich die Rolle des Schulhundes, je nachdem, ob er in der Grundschule oder in weiterführenden Schulformen eingesetzt wird?

Mombeck: Die grundlegenden Mechanismen bleiben in allen Settings ähnlich: Die Fürsorge für das Tier, Resonanzerfahrungen und die Möglichkeit, in Beziehung zu treten, ohne bzw. im reduzierten Maße sozialen Normen oder Wertungen zu unterliegen, wirken in jeder Altersstufe positiv. Jüngere und ältere Menschen profitieren besonders von diesen Effekten, aber sie sind auch für andere Altersgruppen relevant. Die Wahrnehmung von Bedürfnissen – des Hundes, der eigenen Person oder die anderer Menschen – ist eine zentrale Lernerfahrung. Diese wird jedoch je nach Alter und Kontext unterschiedlich thematisiert und eingeordnet. Während in der Grundschule der Fokus vielleicht auf grundlegender Empathie und Fürsorge liegt, könnte in einer Oberstufenklasse die Rolle des Tieres im Rahmen eines Ethikunterrichts thematisiert werden, etwa im Zusammenhang mit Verantwortung oder tierethischen Fragen. Viele weitere Auswirkungen sind jedoch in allen Altersgruppen spürbar: Die Schüler:innen freuen sich, wenn der Hund anwesend ist, und nehmen ihn als bereichernden Teil der Klassengemeinschaft wahr. Die Atmosphäre im Raum verändert sich, wenn das Tier die Klasse betritt. Ein Proband formulierte diese Erfahrung sehr bildlich: “Wenn [Hundename] die Klasse betritt, dann fühlt sich das an wie einen warmen Kakao zu trinken”. Für viele Kinder bedeutet der Tierkontakt Sicherheit und Ruhe in einem sonst zum Teil unsicheren und herausfordernden Setting. Das Tier selbst bleibt dabei immer „Tier“: Es soll Hund sein und keine zusätzliche Rolle erfüllen müssen. Was sich verändert, ist die pädagogische oder therapeutische Rahmung.

Redaktion: Wie sieht der organisatorische Rahmen für den Einsatz von Schulhunden aus? Welche rechtlichen, finanziellen oder logistischen Hürden müssen Schulen meistern, bevor sie einen Schulhund integrieren können?

Mombeck: Die Richtlinien zum Einsatz von Schulhunden sind sehr unterschiedlich und hängen stark vom Bundesland ab. Das erwähnte Qualitätsnetzwerk Schulbegleithunde bietet hierzu eine hervorragende Hilfestellung. In Nordrhein-Westfalen entscheidet beispielsweise die Schulleitung, ob Unterricht mit Hund erlaubt ist. Finanziell stellt die Ausbildung von Lehrkräften zum Mensch-Hund-Team oft eine Herausforderung dar, die Kosten liegen zwischen 1500 und rund 8000 Euro, die Ausbildung dauert ein bis über zwei Jahre. In manchen Bundesländern können die Kosten steuerlich abgesetzt werden. In Nordrhein-Westfalen wird der Hund weitgehend als „Lernmittel“ anerkannt, was eine steuerliche Entlastung ermöglicht. Entschieden wird allerdings von Fall zu Fall. Einige Schulen unterstützen Lehrkräfte finanziell, dies bleibt jedoch eine individuelle Entscheidung der Schulleitung. Logistisch ist der Einsatz eines Schulhundes ebenfalls anspruchsvoll. Viele Lehrkräfte bringen den Hund nur für die Stunden mit, in denen er oder sie eingesetzt wird, und bringen ihn oder sie danach nach Hause. Es ist wichtig, einen Plan B zu haben, falls sich das Schulsetting nicht für das Tier eignet. Die Entscheidung, einen Hund als Schulhund einzubinden, sollte immer auf der Grundlage getroffen werden, dass das Tier in erster Linie als Haustier und als Familienmitglied gesehen wird. Wenn sich das Tier dann auch für tiergestützte Arbeit eignet, ist das ein schöner Bonus – aber kein Muss. Rechtlich müssen zum Beispiel Haftpflicht- und Tierhaftpflichtversicherungen angepasst werden, was meist unkompliziert durch eine Mitteilung an die Versicherung erfolgt.

Redaktion: Worauf sollten Lehrkräfte bei einer Ausbildung achten, wenn sie sich für den Einsatz von Schulhunden interessieren?

Mombeck: Eine gute Ausbildung sollte zwei zentrale Komponenten abdecken: die pädagogische Arbeit mit Menschen und die Perspektive auf das Tier. Leider gibt es in der Hundeerziehung ein breites Spektrum – von tierschutzrelevanten Methoden bis hin zu wünschenswerten Ansätzen, die den Hund als individuelles Wesen mit eigenen Bedürfnissen sehen. Entscheidend ist, dass positive Bestärkung, Wertschätzung und die Förderung von Selbstwirksamkeitserfahrungen im Vordergrund stehen, denn sowohl bei Hunden als auch bei Menschen funktionieren Beziehungsaufbau und Lernen nicht unter Angst, Druck oder mit Schmerzen. Wichtig ist auch, sich vor der Auswahl des Hundes gut beraten zu lassen, beispielsweise durch qualifizierte Hundetrainer:innen. Ob ein Hund aus dem Tierschutz oder ein Welpe – jedes Tier ist ein Individuum, dessen Genetik und Erfahrungen eine Rolle spielen. Pauschale Aussagen wie „Ich züchte Schulhunde“ sollten kritisch hinterfragt werden, denn nicht die Rasse, sondern das individuelle Wesen und die Erfahrungen des Hundes sind entscheidend. Lehrkräfte sollten sich bewusst sein, dass die Arbeit mit einem Schulhund herausfordernd ist. 

„Hunde nehmen Stimmungen wahr, daher hilft es, vorab Routine und Sicherheit zu gewinnen.“

Dr. Mona Maria Mombeck

Redaktion: Ist eine solche Ausbildung abgeschlossen und der erste Tag eines Schulhundeinsatzes steht bevor – an was lohnt es sich noch zu denken?

Mombeck: Wichtig ist, frühzeitig Aufklärungsarbeit zu leisten. Abende für Erziehungsberechtigte eignen sich hervorragend, um Ängste und Sorgen abzubauen und Begeisterung für den tiergestützten Unterricht zu wecken. Auch vor der Einschulung kann abgefragt werden, ob ein Kind oder dessen Erziehungsberechtigte an einem tiergestützten Unterricht interessiert sind und ob mögliche Allergien oder andere Faktoren beachtet werden müssen. Für den Einstieg bieten sich vorbereitende Maßnahmen an, wie etwa ein „Brief vom Schulhund“, in dem der Hund vorgestellt und seine Bedürfnisse erklärt werden. Eine Streichel-Landkarte mit einer Darstellung, welche Körperstellen der Hund gerne gestreichelt mag und welche nicht, hilft den Kindern, das Tier besser zu verstehen. Dabei sollten auch grundlegende Verhaltensregeln im Umgang mit Hunden vermittelt werden, wie das Vermeiden von Verhalten, das für den Hund unangenehm ist, wie zum Beispiel direktes Anstarren. Die Gewöhnung des Hundes an das Schulsetting ist ebenfalls wichtig. Dies sollte schrittweise erfolgen, idealerweise in der unterrichtsfreien Zeit, etwa an Wochenenden, wenn keine Schüler:innen oder Lehrkräfte im Gebäude sind. Der Hund kann sich so in Ruhe mit dem neuen Umfeld vertraut machen und bereits angenehme Erfahrungen mit dem Setting assoziieren. Besonders wichtig ist, dass die Atmosphäre für das Tier entspannt bleibt – ein stressfreier und gut vorbereiteter Start legt den Grundstein für einen erfolgreichen Einsatz. Auch die eigene Aufregung der Lehrkraft sollte nicht unterschätzt werden. Hunde nehmen Stimmungen wahr, daher hilft es, vorab Routine und Sicherheit zu gewinnen. Einige Lehrkräfte nutzen beispielsweise Tage der offenen Tür oder treffen ihre zukünftige Klasse in einem entspannten Rahmen, bevor der Hund im Unterricht eingesetzt wird. Solche Begegnungen können den Einstieg für alle Beteiligten erleichtern.

Redaktion: Was sind die größten Vorteile eines Einsatzes von Schulhunden – gerade auch in Bezug auf Kinder mit sozialen und emotionalen Herausforderungen?

Mombeck: Gerade Kinder und Jugendliche, die Herausforderungen im Sozialverhalten haben und denen es schwer fällt, soziale Beziehungen einzugehen, profitieren sehr von einem Unterricht, in dem ein Hund anwesend ist. Extreme Verhaltensweisen und insbesondere Aggressionen treten dann deutlich seltener und in abgeschwächter Form auf. Es gibt weniger Konflikte, bessere Kommunikation und gelingende zwischenmenschliche Beziehungen. Dadurch wird die soziale Inklusion, also die soziale Teilhabe aller Kinder in der Schulklasse, begünstigt. Insbesondere Kindern, denen es schwer fällt, ihre Emotionen zu regulieren, profitieren von diesem Setting. 
Gute tiergestützte Pädagogik bietet zudem einen großen Mehrwert in einer unruhigen Zeit, in der wir vielen Reizen und Informationen ausgesetzt sind. Mit Tieren ermöglichen wir eine pädagogische Situation mit Resonanzerfahrung, fördern die Präsenz im Hier und Jetzt und helfen, ungünstige Normen und Werte zu hinterfragen, wie zum Beispiel jene, die allein dem Leistungs- und Konkurrenzgedanken in Schule dienen. Stattdessen ist der Blick auf das Miteinander und auf Empathie im Sinne des gegenseitigen Verständnisses – zwischen Mensch und Hund und zwischenmenschlich – gerichtet.

Redaktion: Frau Doktorin Mombeck, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Zur Person

Dr. Mona Maria Mombeck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Paderborn und spezialisiert auf tiergestützte und Inklusive Pädagogik. Sie forscht insbesondere zu tiergestützten Interventionen im schulischen Kontext und hat Veröffentlichungen zum Thema Schulhunde herausgebracht.