Stehen Schulleitungen auf der Agenda der aktuellen Bildungspolitik?

Dr. Laura Braun und Dr. Hanna Pfänder vom impaktlab der Wübben Stiftung haben die aktuellen Koalitionsverträge der Bundesländer untersucht.

Das Berufsbild und die Situation von Schulleitungen werden seit einigen Jahren datengestützt ausgeleuchtet. Auf dieser Grundlage gibt es inzwischen konkrete Vorschläge aus der Praxis und Bildungsforschung. Sie machen deutlich, was Politik tun sollte, um geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Führungskräfte in der Schule ihre wichtige Funktion erfolgreich ausfüllen können. Aber welche Rolle spielt die Stärkung von Schulleitungen in der aktuellen Bildungspolitik? Dazu hat das impaktlab der Wübben Stiftung die Koalitionsverträge der einzelnen Bundesländer genauer untersucht.

Schulleitungen spielen eine entscheidende Rolle für die Schulqualität, die Motivation und Leistung der Lehrerinnen und Lehrer und die Lernleistungen von Schülerinnen und Schülern (z. B. Scheerens, 2012). Eine aktuelle repräsentative Studie zeigt allerdings, dass sich die Mehrheit der deutschen Schulleitungen eine aktivere Rolle und mehr Souveränität wünscht, dafür jedoch nicht die notwendige politische und rechtliche Unterstützung erhält (Fichtner et al., 2022). Die Studie verweist zudem auf eine zunehmende Unzufriedenheit der Schulleitungen mit ihrer beruflichen Situation. Außerdem gibt etwa jede fünfte Schulleitung an, die aktuelle Stelle verlassen zu wollen (Cramer et al., 2021). In Anbetracht des bundesweiten Schulleitungsmangels sind diese Befunde besonders besorgniserregend. Entsprechend werden Stimmen unter anderem aus der Wissenschaft und den Verbänden immer lauter, die Schulleitungen in ihrer Schlüsselrolle im Schulwesen systematisch zu stärken und sie enger in die Veränderungsprozesse einzubinden.

Forderungen zur Stärkung von Schulleitungen

Wie die Rolle und Position von Schulleitungen gestärkt werden können, dazu existieren vielfältige Vorschläge und Forderungen. Beispielsweise nennt eine große Mehrheit der Schulleitungen in einer aktuellen Studie im Auftrag des Verbands für Bildung und Erziehung e.V. (forsa Politik- und Sozialforschung GmbH, 2022) insbesondere die Erhöhung der Leitungszeit, zusätzliche Anrechnungsstunden sowie eine bessere personelle Ausstattung mit pädagogischen und nicht-pädagogischen Fachkräften an. Zudem werden eine gesicherte Stellvertreterregelung und eine Budgeterhöhung als hilfreiche Verbesserungsoptionen angesehen. Aus Sicht der Mehrheit der Schulleitungen wären darüber hinaus der Ausbau der Fort- und Weiterbildung sowie flexible Arbeitszeitmodelle sinnvoll. 

Einen zusammenfassenden Impuls an die Politik hat auch ein Team aus Expertinnen und Experten aus Praxis, Wissenschaft und Bildungsverwaltung kürzlich vorgelegt (Brändle et al., 2022). Die Autorinnen und Autoren appellieren an die Politik, einheitliche Qualitätsstandards und eine Professionalisierungsstrategie für die Arbeit von Schulleitungen zu entwickeln und deren Arbeit durch angemessene Rahmenbedingungen systematisch zu unterstützen. Sie fordern die Politik ganz konkret auf, Aufgaben von Schulleitungen zu spezifizieren und geeignete Maßnahmen zur Identifikation etwa durch Monitoring und Mentoring und Auswahl der Schulleitungen zu entwickeln. Dies kann zum Beispiel durch klare Anforderungsprofile und professionelle Personaldiagnostik erreicht werden. Darüber hinaus fordern sie etwa eine bessere Zertifizierung in der Ausbildung, mehr Autonomie, mehr Entlastungsstunden und Verwaltungsunterstützung sowie Unterstützung durch IT-Administration. Die Forderungen sind komplex und das föderale System der Bundesrepublik macht ihre Erfüllung gewiss nicht einfacher, da die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Stärkung der Schulleitungen in 16 unterschiedlichen Systemen eingebracht werden müssen. 

Zur Eingangsfrage: Inwieweit stehen Schulleitungen und Ihre Anliegen auf der Agenda der Bildungspolitik? Dazu haben wir die aktuellen Koalitionsverträge der Bundesländer [Stand September 2022] analysiert. Auch wenn ein Koalitionsvertrag im zivilrechtlichen Sinne kein Vertrag, sondern eher eine Zusammenstellung von Absichtserklärungen ist (Paquet & Schroeder, 2022), sind Koalitionsverträge Indikatoren dafür, was aktuell auf der bildungs- und schulpolitischen Agenda steht.

Koalitionsverträge der Länder: Entlastung von Schulleitung steht im Fokus – länderübergreifende Strategie fehlt

Unsere Analyse zeigt, dass die Unterstützung von Schulleitungen in allen Bundesländern im aktuellen Koalitionsvertrag thematisiert wird. Abbildung 1 gibt für jede der von uns zur Systematisierung gebildeten inhaltlichen Kategorien an, in wie vielen Bundesländern sie Gegenstand des Koalitionsvertrags ist.

In Umfang und Konkretisierungsgrad sind dabei jedoch substanzielle Unterschiede zu erkennen. Die generelle Bedeutung der Schulleitung für die Schulentwicklung wird von der Politik offenkundig gesehen und drückt sich insbesondere in der Forderung aus, die Schulleitungen entlasten zu wollen. Diese wird in 15 Bundesländern thematisiert und adressiert auch konkrete Vorschläge. Dabei werden beispielsweise die Entbindung von Unterrichtsverpflichtung oder die Schaffung einer „echten Leitungszeit“ angestrebt. Vor allem aber drückt sich die Entlastung von Schulleitung durch die Einführung von Verwaltungsstellen aus, die in elf Bundesländern benannt wird. Hierbei deutet sich über die Länder hinweg eine unterschiedliche Art der Verwaltungsstellen (etwa Leitungs- oder Assistenzstellen) an. 

Daneben zeigt sich, dass auch die Qualifizierung und Professionalisierung von Schulleitungen in der Mehrheit der Länder ein aktuelles Anliegen im Koalitionsvertrag ist. Weitere Inhaltsbereiche, wie beispielsweise die Besetzung und Auswahl finden in etwa einem Drittel der Länder Erwähnung. Dagegen zeigt die Analyse, dass einige Aspekte, die die Arbeitsbedingungen von Schulleitungen entscheidend verbessern könnten – wie etwa die Besoldung oder die stärkere Einbindung in die Steuerung – länderübergreifend wenig Beachtung finden. Auch die Frage, wie der virulente Schulleitungsmangel zeitnah bewältigt werden kann, wird kaum angesprochen. Wie in der Bildungspolitik insgesamt, fehlt es ganz grundsätzlich an einer länderübergreifenden Strategie, um  Schulleitungen systematisch zu stärken. Wünschenswert wären zwischen den Ländern abgestimmte Vorschläge oder zumindest die Erprobung von übertragbaren Modellen. Insofern ist die in vielen Koalitionsverträgen erwähnte Qualifizierung grundsätzlich sehr zu begrüßen. Inwieweit der Bund hierbei eine aktivierende Rolle für ein zwischen den Ländern abgestimmtes Vorgehen einnehmen kann, bleibt abzuwarten, wurden doch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung die Qualifizierung der Schulleitungen explizit erwähnt, obwohl diese dafür keine Zuständigkeit hat.  

Die Analyse der in den Koalitionsverträgen formulierten Absichtserklärungen erlaubt allerdings keine Urteile über die tatsächliche Politik und die bereits umgesetzten Maßnahmen in den Bundesländern. Für einen solchen Soll-Ist-Vergleich braucht es weitergehende Analysen. Auch müssen die Koalitionsverträge immer vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen zeitlichen Entstehungskontexte gesehen werden. 

Bildungspolitik erweckt Hoffnungen – aber lässt auch Fragen offen

Die in den Koalitionsverträgen vieler Länder angedeutete Entlastung von Schulleitungen erkennt an, dass die Aufgaben von Schulleitungen derzeit zu umfassend sind. Die Einführung von Verwaltungsstellen ist ein vielversprechender Impuls, um Schulleitungen langfristig von Verwaltungstätigkeiten zu entlasten. Daraus könnten sich neue wichtige Möglichkeitsräume ergeben, Schule stärker pädagogisch zu gestalten. Auch können die vielfältig thematisierten Maßnahmen zur Professionalisierung von Schulleitungen dazu beitragen, diese bei der Bewältigung der immer komplexeren Herausforderungen in ihrem Amt zu unterstützen. Weitere Forderungen und Themen, die bereits aus der Praxis formuliert wurden, wie etwa die Erhöhung und Angleichung der Besoldung der Schulleitungen finden in den aktuellen Koalitionsverträgen dagegen weniger Berücksichtigung. Solche und weitere Themen aus der Praxis könnten durch eine stärkere Partizipation von Schulleitungen in politischen Gestaltungsprozessen platziert werden. Aufgabe der Wissenschaft kann es an dieser Stelle sein, die angekündigten Vorhaben zur Stärkung der Schulleitungen auf ihre Umsetzung und Wirksamkeit zu überprüfen sowie bei der Feststellung und Artikulation von (weiteren) Bedarfen von Schulleitungen mitzuwirken und so den Schulleitungen und ihren Anliegen eine Stimme zu geben. 

Die in den Koalitionsverträgen formulierten Themen und Vorhaben wecken zum Teil große Hoffnungen und Erwartungen an die Bildungspolitik. Diese gilt es nun im nächsten Schritt in die Tat umzusetzen. Gleichzeitig bleiben Antworten auf drängende Fragen, wie etwa die Adressierung des Schulleitungsmangels, weitgehend offen. 

Impulspapier des impaktlab der Wübben Stiftung

Das impaktlab der Wübben Stiftung versteht sich als Think- und Actiontank für Leitungshandeln an Schulen in Deutschland. Auf der Basis wissenschaftlicher Analysen und praktischer Erkenntnisse entwickelt das impaktlab Impulse für die systematische Unterstützung und Professionalisierung von Schulleitungen. 

Der Beitrag ist eine Kurzfassung des Impulspapiers „Sind Schulleitungen auf der Agenda der aktuellen Bildungspolitik? Eine Analyse der Koalitionsverträge der Länder“. Das Impulspapier steht hier zum Download zur Verfügung:
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