Warum Belohnungssysteme dem Unterricht häufig schaden
Prof. Kou Murayama erforscht, wie Belohnungen im Unterricht die Motivation von Schüler:innen beeinflussen.
Motivation spielt eine zentrale Rolle im Bildungswesen. Selbst die besten und verständlichsten Lernmaterialien retten eine Schulstunde nicht, wenn Schüler:innen nicht motiviert sind. Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen greifen daher häufig auf Belohnungssysteme zurück. Nicht immer ist das hilfreich.
Um die Motivation zu fördern, setzen viele Lehrkräfte auf Belohnungssysteme, bei denen Schülerinnen und Schüler Sterne oder Medaillen für gute Leistungen erhalten. Doch wie effektiv sind solche extrinsischen Belohnungen? Aufschlussreiche Erkenntnisse stammen von den amerikanischen Psychologen Richard Ryan und Edward Deci, die den „korrumpierenden Effekt extrinsischer Motivation“ untersucht haben. Sie stellten fest, dass Menschen Tätigkeiten, die ihnen eigentlich Freude bereiten, nicht mehr oder nicht mehr so häufig wie ursprünglich aus reiner Freude ausüben, sobald sie dafür belohnt werden. Weil extrinsische Belohnungen die intrinsische Motivation untergraben, wird dieser Prozess in der Forschung auch als „undermining effect“ bezeichnet.
Warum extrinsische Belohnungen nicht wirken
Um den sogenannten Untergrabungseffekt zu untersuchen, wurde die Gehirnaktivität von Probandinnen und Probanden im MRT überwacht, während sie für eine Studie eine spielerische Aufgabe lösten, die ihnen Spaß machte. Nach der Einführung von Geldprämien als Belohnung zeigte sich zunächst eine erhöhte Aktivierung in dem Teil des Gehirns, der als „Motivationszentrum“ bezeichnet wird. Allerdings trat dieser Effekt nur vorübergehend auf und verschwand schließlich vollständig. Der Effekt zeigte sich nicht, wenn die Teilnehmenden keine Aussicht auf eine Geldprämien erhielten.
„Die motivierende Wirkung von Belohnungen wird häufig überschätzt, während die natürliche Freude am Lernen unterschätzt wird.“
Prof. Dr. Kou Murayama
Darum sind falsche Annahmen über Belohnungen im Schulumfeld riskant
Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass viele Menschen, darunter auch Lehrkräfte und Schulleitungen, die Wirkung von Belohnungen überbewerten. Zahlreiche Studien zeigen, dass die motivierende Wirkung von Belohnungen häufig überschätzt und die natürliche Freude am Lernen unterschätzt wird. Dies kann weitreichende Folgen für Schulen haben: Wenn Lehrkräfte zu sehr auf extrinsische Anreize setzen, riskieren sie, die Entwicklung einer echten, langfristigen Motivation bei ihren Schülerinnen und Schülern zu vernachlässigen.
Gleiches gilt für Schulleitungen, die versuchen, ihre Lehrkräfte zu motivieren. Setzen sie zu stark auf Belohnungssysteme wie Bonuszahlungen, kann dies kurzfristig wirken, doch langfristig könnten Lehrkräfte den eigentlichen Fokus – die Förderung der Schülerinnen und Schüler – aus den Augen verlieren, Wenn Lehrkräfte also plötzlich für eine Aufgabe belohnt werden, die sie vorher intrinsisch motiviert durchgeführt haben, könnten sie die eigene Motivation zunehmend an der Belohnung orientieren und ihre ursprüngliche Freude oder das persönliche Interesse an der Tätigkeit verlieren. Falsche Vorstellungen von Motivation – in der Forschung bekannt als „metamotivationaler Glaube“ – können dazu führen, dass gut gemeinte Maßnahmen das Gegenteil bewirken und die intrinsische Motivation verdrängen.
Natürliche Motivation stärken
Um das Missverständnis in Bezug auf Belohnungen zu überwinden, ist mehr Vertrauen in die menschliche Natur nötig. Aktuelle Studien zeigen, dass Schülerinnen und Schüler eine natürliche Freude am Lernen empfinden – auch wenn es manchmal anstrengend ist. Unter den richtigen Bedingungen ist es eine bereichernde Erfahrung – sowohl für Lernende als auch für Lehrende. Unterrichten ist oft herausfordernd, aber auch erfüllend, denn die Lehrkräfte können die Fortschritte ihrer Schülerinnen und Schüler direkt beobachten. Während Belohnungen bei mangelnder Motivation nützlich sein können, kann der übermäßige Einsatz externer Anreize die intrinsische Freude am Lernen und Unterrichten untergraben. Hilfreicher ist es, die Selbstmotivation in den Blick zu nehmen. Damit ist die Fähigkeit gemeint, aus eigenem Antrieb, also aus intrinsischer Motivation heraus, auf ein Ziel hinzuarbeiten oder eine Tätigkeit fortzuführen, ohne dass äußere Belohnungen notwendig sind. Selbstmotivation basiert also auf der Freude an der Tätigkeit selbst oder der persönlichen Bedeutung, die Schülerinnen, Schüler oder Lehrkräfte in der Zielerreichung sehen. Ein Umdenken in Richtung Selbstmotivation kann daher langfristig einen großen Unterschied machen.