Warum Weiterbildungsstudiengänge für Schulleitungen sinnvoll sind

Dr. Michaela Köller, Prof. Dr. Thomas Riecke-Baulecke und Prof. Dr. Ulrich Trautwein sprechen darüber, wie (angehende) Schulleitungen an Universitäten qualifiziert werden können.

Schulleiterinnen und Schulleiter tragen wesentlich dazu bei, das Lernen an Schulen wirksam zu gestalten. Für diese Aufgabe benötigen sie professionelles Wissen und vielfältige Kompetenzen. Die Qualifizierung von Schulleitungen kommt indes häufig zu kurz. An den Universitäten Kiel und Tübingen lernen (angehende) Führungskräfte, wie es gelingt, eine Schule zu leiten.

Redaktion: Welches Wissen und welche Kompetenzen benötigen Schulleitungen, um eine Schule zeitgemäß leiten zu können?

Dr. Michaela Köller: Schulleitungen brauchen Wissen über die Qualitäts- und Unterrichtsentwicklung sowie das Führen und Begleiten des Kollegiums durch Veränderungsprozesse und Krisen. Dafür sind ganz unterschiedliche Kompetenzen notwendig, von der professionellen Kommunikation bis hin zur Reflektion über die Zukunft von Schule. Schulleitungen sollten heute schon in der Lage sein, darüber mitzudiskutieren, was zum Beispiel die Entwicklung von ChatGPT für ihre Schule bedeutet.

„Im Zentrum steht die Aufgabe, Schule so gestalten, dass Schülerinnen und Schüler möglichst optimal gefordert und gefördert werden.“

Prof. Dr. Thomas Riecke-Baulecke

Prof. Dr. Thomas Riecke-Baulecke: Im Zentrum steht die Aufgabe, Schule so gestalten, dass Schülerinnen und Schüler möglichst optimal gefordert und gefördert werden. Leitfragen der Unterrichtsqualität sind hierfür entscheidend. Zudem bedeutet Führung zuallererst Selbstführung. Statt mit Aktionismus auf Herausforderungen zu reagieren, sollten Schulleitungen in die Lage sein, strategische Ziele in den Blick zu nehmen, sich nicht zu verzetteln, Führung stets als Teamaufgabe zu verstehen und am Ball zu bleiben, also im wohlverstandenen Sinne Prozesse zu steuern. Ein Verständnis für werteorientierte Führung und Kenntnisse der Handwerkzeuge wie zum Beispiel für systematisches Controlling, können diese Arbeit erleichtern.

Prof. Dr. Ulrich Trautwein: Ein Thema möchte ich noch hervorheben: Schulleitungen müssen verstehen, welche Faktoren für eine gelingende Entwicklung von Schülerinnen und Schülern wirklich wichtig sind. Sie müssen schnell erkennen, wenn unseriöse Forderungen oder Heilsversprechungen kursieren und sie müssen wissen, wo sie robuste, wissenschaftliche Erkenntnisse finden. Ein solcher Kompass gibt Schulleitungen Sicherheit und Souveränität in ihrem täglichen Handeln.  

„Ohne eine gute Theorie, gibt es keine gute Praxis.“

Dr. Michaela Köller

Redaktion: Vielerorts werden Schulleitungen händeringend gesucht, auf der anderen Seite ergab eine forsa-Umfrage aus dem Jahr 2020, dass jede fünfte Schulleitung den Arbeitsplatz wechseln möchte. Inwieweit spielt eine frühzeitige Qualifizierung von Schulleitungen für die Attraktivität eines Schulleitungspostens eine Schlüsselrolle?

Trautwein: Egal in welchem Beruf, zwei Faktoren sind entscheidend dafür, dass man seiner Tätigkeit mit Energie und Freude nachgehen kann. Erstens muss man sich sicher sein, dass man die notwendigen Fertigkeiten für die Aufgabe mitbringt, sprich eine positive Antwort auf die Frage „Kann ich es?“ geben kann. Zweitens muss man einen Sinn in der Tätigkeit sehen, was einer Antwort auf die Frage „Was bringt es mir?“ entspricht. Unser Studiengang ist so konzipiert, dass er die Studierenden in ihren Kompetenzen fördert und immer wieder aufzeigt, welche wichtigen Beiträge Führungspersonen zu einer gelingenden Entwicklung von Lernenden, Lehrkräften und letztlich auch unserer offenen, demokratischen Gesellschaft leisten. Das ist eine ganze Menge, auch wenn unser Studiengang natürlich nicht über Nacht die Rahmenbedingungen für das Arbeiten in der Schule ändern kann und es da einiges gibt, was meines Erachtens optimierungswürdig wäre. 

Köller: Frühzeitige Qualifizierungen verringern zudem das Überforderungserleben, weil künftige Schulleitungen wissen, was auf sie zukommt und dass sie diese Aufgaben nicht allein bewältigen müssen. Und nicht zuletzt geht es darum, die Aufmerksamkeit von jüngeren Lehrkräften für das Aufgabengebiet von Schulleitungen zu gewinnen, damit sie dieses als mögliches späteres Betätigungsfeld ins Auge fassen.

Redaktion: Den Weiterbildungsstudiengang „Schulmanagement und Qualitätsentwicklung“ an der Universität zu Kiel gibt es seit 2007. Was zeichnet ihn aus? 

Köller: Ich sage meinen Studierenden immer, dass es ohne eine gute Theorie keine gute Praxis gibt. Wir brauchen Schulleitungen, die gemeinsam mit ihren Kollegien die Schülerinnen und Schüler auf eine immer komplexer werdende Zukunft vorbereiten. Das geht nur, wenn das eigene Wissen immer wieder aktualisiert und der Nutzen der Wissenschaft für die eigene schulische Praxis gesehen wird. Dazu gehört auch, dass die Gesundheit und das Wohlbefinden der Lehrkräfte von Schulleitungen immer mitgedacht werden. Nur körperlich und psychisch gesunde Lehrkräfte können gute Leistungen erbringen. Auch das sind Forschungserkenntnisse, die wir im Studiengang vermitteln. 

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Der Weiterbildungsmaster „Schulmanagement und Qualitätsentwicklung“ an der Universität zu Kiel

Der Studiengang „Schulmanagement und Qualitätsentwicklung“ wird seit dem Wintersemester 2007/08 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in Kooperation mit dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) angeboten. Sieben Module im Blended-Learning-Format verteilen sich auf vier Semester. Die Studieninhalte adressieren Themen wie Organisations- und Managementtheorien, Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung an Schulen, Personalmanagement, aber auch Grundlagen des Motivationsmanagements und professionelle Kommunikation.

Redaktion: An der Universität Tübingen ist im vergangenen Herbst die zweite Kohorte in den Weiterbildungsstudiengang „Schulmanagement und Leadership“ gestartet. Mit welchem Ziel wurde der Studiengang entwickelt? 

Trautwein: Erfolgreiche Schulsysteme leben davon, dass die leitenden Akteure hochprofessionell arbeiten und sich fortlaufend wissenschaftsbasiert fortbilden. Ich bin überglücklich, dass wir als Universität mit diesem Studiengang unseren Beitrag zu dieser Professionalisierung leisten dürfen und gleichzeitig selbst von den engagierten Kolleginnen und Kollegen lernen dürfen.

Was die inhaltliche Ausrichtung angeht, benennt der Studiengang Probleme und Lösungen. Natürlich wissen wir nicht, was die Zukunft bringt – außer dass sie sicherlich viele Herausforderungen für uns alle bereithält. Der Studiengang vermittelt deshalb auch Kompetenzen, wie mit neuen Herausforderungen umzugehen ist, beispielsweise indem er aufzeigt, wie man neu aufkommende Fragen angehen kann. 

„Die Themen in unserem Studiengang sind für alle interessant, die sich intensiv mit gelingenden Lehr- und Lernprozessen an Schulen auseinandersetzen wollen.“

Prof. Dr. Ulrich Trautwein

Redaktion: Der Studiengang in Tübingen wird in Kooperation mit dem Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW), dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) und der Akademie für innovative Bildung und Management (aim) angeboten. Welche Vorteile hat eine solche institutsweite Kollaboration für die Studierenden?

Trautwein: Diese Zusammenarbeit ist die Konsequenz einer wichtigen Erkenntnis: In erfolgreichen Schulsystemen gibt es zwar eine klare Arbeitsteilung zwischen unterschiedlichen Institutionen, aber gleichzeitig auch ein gemeinsames, wissenschaftsbasiertes Grundverständnis hinsichtlich wichtiger Faktoren für erfolgreiche Unterrichts- und Schulentwicklung und einen lebendigen Austausch darüber. 

Riecke-Baulecke: Durch die Kooperation wird eine enge Anbindung an die Schulpraxis und die gängigen Verfahrensweisen in der Schulverwaltung gewährleistet. Wissenschaftsorientierung und Praxisnähe werden dadurch zusammengebracht. Besonders praktisch ist, dass die Institute Möglichkeiten für die vorgeschriebenen Praktika bieten, was für die Studierenden ebenso fruchtbar ist wie für die Institute selbst. Wir machen die Erfahrung, dass die vorgeschriebenen Praktikumszeiten überschritten werden, weil das Lernen am anderen Ort sehr ertragreich zu sein scheint.

Der Weiterbildungsstudiengang „Schulmanagement und Leadership“ an der Universität Tübingen

Ziel des Masterstudiengangs „Schulmanagement und Leadership“ ist es, professionelle und starke Führungspersönlichkeiten für den Bildungs- und Schulkontext aus- und weiterzubilden. Das Lehrangebot ist so gestaltet, dass Studierende den Masterabschluss berufsbegleitend innerhalb der Regelstudienzeit von vier Semestern erlangen können. Die thematischen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Bildungs-, Schul- und Unterrichtsforschung, Schulmanagement, Unterrichtsqualität und Qualitätsentwicklung an Schulen, digitales Lehren und Lernen sowie Personalführung und Kommunikation. 

Informationsveranstaltungen für Interessierte 
Am Montag, 15.05.2023, und Dienstag, 11.07.2023, findet jeweils von 18.30-19.30 Uhr eine Online-Informationsveranstaltung statt. Hier erhalten Interessierte weiterführende Informationen zum Studiengang und können Fragen stellen. Bei Interesse können Sie sich hier anmelden:
Anmeldung Infoveranstaltung 

Redaktion: Welche Zielgruppe adressiert der Studiengang? 

Köller: Der Studiengang ist für alle in Schule pädagogisch Tätigen geeignet, die sich weiterbilden oder weiterqualifizieren möchten, dazu gehören natürlich auch diejenigen, die ganz konkret eine Leitungsstelle im Blick haben. Der Schulzweig spielt dabei keine Rolle. Von Gymnasien, über Grundschulen, berufliche Schulen, Pflegeschulen, Privatschulen im Ausland bis hin zu Förderschulen sind alle Schularten vertreten. Auf diese Weise lernen die Teilnehmenden auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Schulformen und Bundesländern kennen und profitieren von deren Erfahrungen, denn es wird überall mit Wasser gekocht und überall kann nur mit den vorhandenen Ressourcen gearbeitet werden.

Zudem kann der Studiengang auch für Kolleginnen und Kollegen aus Ministerien beziehungsweise Schulämtern interessant sein, die sich mit aktuellem Wissen aus der Bildungsforschung beschäftigen möchten. 

Trautwein: Der Studiengang richtet sich insbesondere an diejenigen, die eine Führungsposition anstreben oder bereits innehaben. Auch in Tübingen sind dabei so gut wie alle Schulzweige vertreten: Gymnasien, Grundschulen, berufliche Schulen und Sonderschulen. Studierende aus dem Ausland können wir derzeit leider noch nicht zum Studium zulassen. 

Redaktion: Bietet der Studiengang auch dann einen Vorteil, wenn Lehrkräfte keine Führungspositionen anstreben, sich jedoch intensiver mit Bildungsthemen auseinandersetzen möchten?

Trautwein: Die Themen in unserem Studiengang sind für alle interessant, die sich intensiv mit gelingenden Lehr- und Lernprozessen an Schulen auseinander setzen wollen – also auch für diejenigen, die sich fortbilden wollen ohne feste Absicht, eine Führungsposition anzustreben. Rund ein Viertel unserer Studierenden hat in einer kurzen Befragung angegeben, dass sie zu dieser Gruppe gehören. 

Redaktion: Erfahren Sie nach Abschluss einzelner Module oder des Studiums auch etwas über den weiteren Karriereweg von Studierenden und darüber, was das Studium an den Schulen angestoßen hat?

Köller: Zu Beginn des Studiums sage ich den Studierenden immer, dass nur wenige am Ende des Studiums noch in ihrer aktuellen Position arbeiten werden und ernte dafür oft ungläubiges Staunen. Kurz vor Ende des Studiums deutet sich dann bei ungefähr 80 Prozent der Studierenden an, dass sie auf eine Funktionsstelle wechseln, die Leitung einer Schule übernehmen, die Schule wechseln, ins Ausland gehen oder aus dem Ausland zurückkehren. Der Gestaltungswille ist enorm.

Trautwein: Mir sind zwei Punkte besonders in Erinnerung geblieben. Erstens die Begeisterung der Teilnehmenden über unsere Studienfahrt nach Israel und die Einblicke in das dortige Schulsystem sowie die intensiven Gespräche und Besuche historischer Orte. Zweitens erreichen mich immer wieder Rückmeldungen von Studierenden, dass ihnen der ernsthafte Austausch über die besten Mittel und Wege, das Schulsystem zu verbessern, enorm viel Motivation für die tägliche Arbeit in den Schulen gegeben hat. So geht es übrigens auch mir selbst: Viele Fragen und Rückmeldungen der Studierenden sind mir in Erinnerung geblieben und beeinflussen meine laufenden Forschungsarbeiten. 

Riecke-Baulecke: Dass Studierende den Studiengang weiterempfehlen und neue Studierende auf diese Weise auf den Studiengang aufmerksam werden, ist für mich zudem eine der wertvollsten Rückmeldungen.

Redaktion: Frau Doktorin Köller, Herr Professor Riecke-Baulecke, Herr Professor Trautwein, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Zur Person

Dr. Michaela Köller ist Diplom-Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für pädagogisch-psychologische Lehr- und Lernforschung (IPL) sowie Studiengangsleiterin des Weiterbildungsstudiengangs „Schulmanagement und Qualitätsentwicklung“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Zur Person

Prof. Dr. Thomas Riecke-Baulecke ist Präsident des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) in Baden-Württemberg. Zuvor hat er unter anderem das schleswig-holsteinische Institut für Qualitätsentwicklung aufgebaut und 15 Jahre lang geleitet. Von 2002 bis 2021 war er zudem Herausgeber der Zeitschriften schulmanagement und des Schulmanagement-Handbuchs.

Zur Person

Prof. Dr. Ulrich Trautwein ist Professor für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen, geschäftsführender Direktor des Hector-Instituts für Empirische Bildungsforschung, Co-Direktor des LEAD Graduate School & Research Network sowie Studiengangsleiter des Weiterbildungsstudiengangs „Schulmanagement und Leadership“ an der Universität Tübingen.