Was die Bildungsforschung über die Fortbildung von Lehrpersonen und Schulleitungen weiß

Im Gastbeitrag erläutert Prof. Colin Cramer, warum kontinuierliche Fortbildung für Lehrer:innen und Schulleitungen unerlässlich ist.

Die Corona-Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie fragil das Bildungsmanagement an deutschen Schulen ist. Ein Grund dafür liegt auch in der mangelnden Fort- und Weiterbildung von Lehrer:innen und Schulleitungen. Erkenntnisse aus der Bildungsforschung verweisen auf die Herausforderungen und die Chancen von lebenslangem Lernen im Lehrberuf.

Warum das Lehramtsstudium für ein professionelles Berufsleben nicht ausreicht

Um zu verstehen, welche zentrale Rolle Fortbildungen im Bildungskontext spielen (sollten), lohnt zunächst ein Blick auf die Laufbahn von Lehrpersonen und Schulleitungen: Wer in Deutschland Lehrerin oder Lehrer werden möchte, absolviert ein Studium auf Master-Niveau – in aller Regel mindestens fünf Jahre. Darauf folgt üblicherweise ein eineinhalbjähriges Referendariat. Im Anschluss können die Absolventinnen und Absolventen regulär als Lehrerinnen und Lehrer arbeiten. Lehrpersonen, die Führungsaufgaben übernehmen möchten, können sich zudem für die Position der Schulleitung bewerben. Denn die Erstqualifikation für die Position einer Schulleiterin oder eines Schulleiters führt ebenfalls über ein klassisches Lehramtsstudium. In den meisten Bundesländern erhalten Lehrpersonen für diese neue Position jedoch lediglich ein sehr überschaubares Qualifikationsangebot, das meist wenig systematisch und in Umfang und Wissenschaftsorientierung nicht mit der Lehramtsqualifikation vergleichbar ist.

„Das Defizit bei der Professionalisierung von Schulleitungen ist groß“

Prof. Dr. Colin Cramer

Ihre umfangreiche Erstqualifikation bildet für Lehrpersonen eine solide Grundlage für den Berufseinstieg und eine erste Basis für Schulleitungshandeln. Doch der gesellschaftliche Wandel macht auch vor den Schulen nicht halt und verändert zunehmend die Erwartungen, die an sie herangetragen werden. Lehrpersonen und Schulleitungen können sich deshalb nicht bis zu ihrer Pensionierung auf ihr einmal in Studium und Referendariat erworbenes Wissen und Können berufen. Die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung ihrer Professionalität bedürfen eines fortwährenden Lernens im Beruf.

Für Schulleitungen kommt hinzu, dass sie im Rahmen ihrer auf die Lehrtätigkeit ausgerichteten Erstqualifikation kaum auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet werden. Diese umfassen ein breites Spektrum an administrativen Aufgaben und Routinetätigkeiten wie die Verwaltung, Personalführung, das eigene Unterrichten oder die Kooperation mit externen Stellen – aber auch die Schulentwicklung, wozu zum Beispiel Innovationen im Bereich Digitalisierung zählen. Schulleiterinnen und Schulleiter gehen somit überwiegend anderen Aufgaben nach als Lehrpersonen. Damit sind Schulleitungen gefangen in einem Spannungsverhältnis: Einerseits sollen sie mit ihrem vorhandenen Können und den zur Verfügung stehenden Ressourcen den Schulbetrieb aufrechterhalten. Andererseits sollen sie Innovationen anstoßen, um ihre Schule zukunftsfähig aufzustellen – wofür ihnen aber oft passgenaue Qualifikationsangebote fehlen und aufgrund begrenzter Ressourcen nur wenig Zeit bleibt. Das Defizit, das in der Professionalisierung von Schulleitungen besteht, ist somit groß. Allerdings liegt genau darin auch das Potential von Fortbildungen.

Status Quo der Fortbildung von Lehrpersonen und Schulleitungen in Deutschland

Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrpersonen rücken erst seit kurzem in den Fokus der Bildungsforschung. Erste Befunde zum Fortbildungsangebot zeigen dabei eine unbefriedigende Ausgangslage: Viele verschiedene Akteure sind für ein recht unsystematisches Angebot und meist noch wenig bedarfsorientierte Fortbildungen verantwortlich. Erst allmählich wird eine systematische Qualitätssicherung betrieben, die bislang jedoch kaum als Grundlage für die Planung des Fortbildungsprogrammes herangezogen wird, weshalb Bedarf und Angebot in einem Missverhältnis stehen können. Hinzu kommt, dass die Fortbildenden selbst überwiegend Lehrpersonen sind, die zumeist nicht systematisch für ihre Aufgaben in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung qualifiziert wurden.

Wie kann die Fortbildung für Lehrpersonen verbessert werden?

Anhaltspunkte für gute Fortbildungen finden sich vor allem mit Blick ins Ausland, besonders in den USA. Der Fokus solcher Fortbildungsmaßnahmen liegt auf schulischen Inhalten, der aktiven Beteiligung und Zusammenarbeit der Teilnehmenden sowie der Orientierung an ‚Best Practice‘-Beispielen. Auch Coaching- und Feedbackmaßnahmen erweisen sich als hilfreich, um die gelernten Inhalte in die eigene Praxis umzusetzen. Darüber hinaus scheint sich auch die Kontinuität der Fortbildungsmaßnahmen insgesamt auszuzahlen. Welchen Maßnahmen einzelne Fortbildungen allerdings mit welchen Zielen folgen, ist bislang weitgehend ungeklärt und bedarf einer breiten Qualitätsdebatte.

„Neben allen Anforderungen ist es auch eine Frage des Berufsethos, welcher Raum dem eigenen beruflichen Lernen eingeräumt wird.“

Prof. Dr. Colin Cramer

Mit Blick auf Deutschland liegt es zudem nahe, mehr und verstärkt wissenschaftsorientierte Fortbildungen für Lehrpersonen zu fordern. Auch wird hierzulande zuweilen eine Fortbildungspflicht für Lehrpersonen eingefordert, die mit Blick auf allgemeine Vorgaben im Beamtenrecht beziehungsweise im öffentlichen Dienst eigentlich bereits existiert. Allerdings legen die meisten Bundesländer diesbezüglich keine konkreten Vorgaben für den zeitlichen Umfang des Fortbildungsbesuchs fest. Eine formale Verpflichtung allein erhöht den Nutzen aus Fortbildungen für das Schulsystem ohnehin nicht zwangsläufig. Bedeutsam erscheint vielmehr die Motivation zu sein, mit der Lehrpersonen und Schulleitungen den Transfer des gewonnenen Wissens aus möglichst qualitätsvollen Fortbildungen in ihren Schulalltag angehen.

Formale Fortbildungen sind nicht alles!

Aus dem Blick gerät in der Diskussion über Fortbildungen zudem, dass Lernen im Beruf nicht nur durch formalisierte Angebote erfolgt. Von zentraler Bedeutung ist auch informelles Lernen durch kollegialen Austausch, durch die Lektüre von Fachliteratur oder die individuelle Nutzung digitaler Medien. Professionelle Lerngemeinschaften und informelles Lernen stellen daher eine wichtige Ergänzung zum Angebot an Fortbildungsinstitutionen dar. In anderen Professionen, wie etwa in der Medizin, ist das informelle Lernen unter Ärztinnen und Ärzten ein wesentlicher Bestandteil, wenngleich auch sie – ähnlich wie Lehrpersonen und Schulleitungen – einer hohen zeitlichen Arbeitsbelastung ausgesetzt sind. Neben allen Anforderungen ist es daher auch immer eine Frage des Berufsethos, welcher Raum dem eigenen beruflichen Lernen eingeräumt wird.

Neue Ansätze für Schulleitungen

Schulleitungen sind angesichts einer fehlenden systematischen Erstqualifikation zur Vorbereitung auf viele ihrer Aufgaben in besonderer Weise auf ein gutes Fortbildungsangebot angewiesen. Großes Potenzial haben in dieser Hinsicht umfangreiche Weiterbildungsstudiengänge, wie sie vereinzelt bereits eingeführt wurden. Aber auch solche Programme können die Herausforderungen kaum lösen, die mit einer in Deutschland vierstelligen Zahl an unbesetzten Schulleitungsstellen einhergehen. Ein neuer Ansatz könnte daher eine stärkere grundständige Professionalisierung von Schulleitungen sein, etwa indem bereits im Lehramtsstudium frühzeitig interessierte und geeignete Lehramtsstudierende für Führungsaufgaben sensibilisiert werden. Bislang fehlt es hierfür allerdings noch an personellen und finanziellen Ressourcen. Dies ist umso bedauerlicher, da eine Orientierung von Lehrpersonen und Schulleitungen an Forschung und Evidenz unerlässlich ist: Wir leben in einer Welt, in der Forschung ein wichtiger Schlüssel zu Innovationen ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollten Schulleitungen daher besser als bisher zugänglich sein, denn sie tragen zentral dazu bei, schulische Bildungsprozesse erfolgreich zu gestalten.