Kriterien für eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung

Erkenntnisse zur Unterrichtsqualität aus Schülersicht

Für Motivation, Wohlbefinden und Leistung von Schulkindern spielt die persönliche Beziehung zu ihrer Lehrkraft eine große Rolle. Der Schlüssel ist emotionale Unterstützung, erklärt Bildungsforscherin Ann-Kathrin Jaekel.

Schülerinnen und Schüler haben das Bedürfnis nach persönlichem Kontakt zueinander und zu ihren Lehrkräften – das hat die Corona-Pandemie noch einmal ganz deutlich gezeigt. Als die Schulen geschlossen waren und die Kinder im sogenannten Distanzunterricht lernen mussten, hatten Videokonferenzen oder auch persönliche Treffen mit Lehrerinnen und Lehrern aus Schülersicht großen Einfluss auf die Unterrichtsqualität und auch auf ihre Freude am Lernen und ihre Anstrengungsbereitschaft. Das ist das Ergebnis einer Studie an der Universität Tübingen, die sich auf das Frühjahr 2020 bezieht. Insbesondere von den Lehrerinnen und Lehrern selbst erstellte Lernvideos wurden gut bewertet. „Da haben die Schülerinnen und Schüler das Gefühl, dass sich jemand Mühe gegeben und Zeit für sie genommen hat“, sagt Studienautorin Ann-Kathrin Jaekel. Profi-Videos von externen Lernplattformen waren dagegen weniger beliebt.

Angesichts der vielen unterschiedlichen Unterrichtsmethoden in der ersten Phase des Distanzunterrichts seien diese Ergebnisse nicht unbedingt erwartbar gewesen, sagt Jaekel. Sie bestätigen aber, was bereits über die generelle Bedeutung der Lehrer-Schüler-Beziehung für die Unterrichtsqualität bekannt war – auch ganz ohne Pandemie. Nicht zuletzt in der umfangreichen Metaanalyse „Visible Learning“ des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie steht das Verhältnis zwischen Lehrkraft und Schülerin oder Schüler weit oben auf der Rangliste der Einflussfaktoren für den schulischen Lernerfolg. 

Welche Auswirkungen hat eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung?

Die Effekte der Lehrer-Schüler-Beziehung sind dabei vielfältig. Durch Studien gut belegt ist eine grundsätzlich positive Wirkung auf Motivation, Emotionen, Lernverhalten und dadurch auch auf die Leistung von Schülerinnen und Schülern. Bei einem guten Verhältnis zu ihren Lehrerinnen und Lehrern brechen diese auch seltener die Schule ab. Und da auch Lehrkräfte ein Bedürfnis nach persönlicher Bindung haben, sorgt eine gute Beziehung zu Schülerinnen und Schülern auch bei ihnen für mehr Motivation und Freude am Beruf – auch dazu gibt es mittlerweile immer mehr Untersuchungen.

Was gehört zu einer guten Lehrer-Schüler-Beziehung?

Doch was genau ist mit einer guten Lehrer-Schüler-Beziehung eigentlich gemeint? Viele Faktoren spielen hier eine Rolle. Nähe, Wärme, Wertschätzung sind Schlagworte aus der Forschung. Es geht um das Gefühl sozialer Eingebundenheit durch sichere, positive Bindungen, die das Lernen begünstigen. „Man braucht keinen Kumpel als Lehrer, aber jemanden, der einen unterstützt und begleitet“, sagt Bildungsforscherin Jaekel. „Wichtig ist zum Beispiel wie die Lehrkraft damit umgeht, wenn jemand einen Fehler macht. Putzt sie ihn runter oder lässt sie gar zu, dass er ausgelacht wird? Oder ist sie sensibel und ansprechbar, wenn jemand Hilfe braucht?“ 

„Man braucht keinen Kumpel als Lehrer, aber jemanden, der einen unterstützt und begleitet.“

Bildungsforscherin Ann-Kathrin Jaekel

Letztlich zahlt im Unterrichtsalltag alles auf eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung ein, was aus dem Modell der drei Basisdimensionen guten Unterrichts als konstruktive Unterstützung bekannt ist: eine gute Feedback- und Fehlerkultur, respektvoller und wertschätzender Umgang miteinander, Ansprechbarkeit, Geduld, Empathie, individuelle Hilfe bei Verständnisproblemen. Auch Fairness spielt eine Rolle, denn das Lehrer-Schüler-Verhältnis bleibt ein hierarchisches. „Die Schülerinnen und Schüler sind in der schwächeren Position in dem Sinne, dass sie kaum Handlungsspielraum haben, wenn sie sich unfair behandelt fühlen“, betont Jaekel.

Wie lässt sich eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung aufbauen?

Der Aufbau einer guten Lehrer-Schüler-Beziehung ist eine große Herausforderung für Lehrkräfte und setzt viel sozial-emotionale Kompetenz voraus. Lehrerinnen und Lehrer sollten aktiv daran arbeiten und dafür auch ihre eigene Bindungsgeschichte und Verhaltensweise reflektieren, so die Empfehlung aus der Unterrichtsforschung. Wenn sie beispielsweise mit Bloßstellen oder Sarkasmus auf unerwünschtes Verhalten von Kindern reagieren, könnte das darauf zurückzuführen sein, dass sie selbst in der Vergangenheit unsichere Bindungen erlebt haben und etwa mit Ablehnung nicht gut umgehen können.  „Auch Humor oder Sarkasmus kann Kinder verunsichern, wenn sie ihn nicht verstehen“, so Jaekel, „dessen muss man sich bewusst sein“. 

Die Bildungsforscherin weist zudem darauf hin, dass die Lehrer-Schüler-Beziehung nicht losgelöst von weiteren Merkmalen guten Unterrichts zu sehen ist. Ein gutes Klassenmanagement etwa werde als Voraussetzung dafür betrachtet, dass die Schülerinnen und Schüler konzentriert arbeiten können und sich überhaupt erst ein gutes, unterstützendes Klassenklima herausbilden kann. „Ein Grundstock an Disziplin und Störungsfreiheit und die klare Kommunikation von Aufgaben und Regeln helfen dabei, eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung aufzubauen, weil die Lehrkraft dann nicht die ganze Zeit damit beschäftigt ist zu verhindern, dass ihr die Schülerinnen und Schüler auf der Nase herumtanzen“, erklärt Jaekel. Störungen des Unterrichts und undiszipliniertes Verhalten der Schüler sind Studien zufolge auch Stressfaktoren für die Lehrkraft selbst. Sie können bei ihr zu emotionaler Erschöpfung und Demotivierung führen, was wiederum einer positiven Lehrer-Schüler-Beziehung im Wege steht .

Zur Person

Ann-Kathrin Jaekel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung an der Universität Tübingen. Ihr Forschungsschwerpunkt ist das Thema Unterrichtsqualität. Sie hat Lehramt und Bildungswissenschaften studiert und mit einer Arbeit zur Nutzung von Schülerurteilen zur Erfassung von Unterrichtsqualität in Forschung und Schulpraxis promoviert.