Wie Elternbeteiligung den Schulerfolg steigern kann

Im Gastbeitrag erklärt Prof. Doris Holzberger, warum Eltern wichtig für den Schulerfolg ihrer Kinder sind und wie Lehrkräfte und Eltern geeignete Voraussetzungen für eine Beteiligung schaffen können.

Der familiäre Hintergrund und die Unterstützung, die Kinder und Jugendliche in ihrem Elternhaus erfahren, haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie erfolgreich sie in der Schule sind. Prof. Dr. Doris Holzberger sieht deshalb in einer stärkeren Beteiligung der Eltern am Schulalltag ihrer Kinder eine wichtige Ressource für deren individuellen Schulerfolg und für mehr Bildungsgerechtigkeit insgesamt. Im Gastbeitrag erläutert sie warum.

Kinder aus sozial benachteiligten Familien schneiden sowohl im Lesen als auch in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern durchschnittlich schlechter ab als ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. An diesem Befund hat sich bis heute nichts geändert. Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund liegen in entsprechenden Vergleichsstudien oft sogar noch weiter zurück. Auch bei der Schulwahl tritt der Einfluss des Elternhauses zutage: Entscheiden die Erziehungsberechtigten, also in aller Regel die Eltern, nach der Grundschule über den Übertritt aufs Gymnasium, können auch finanzielle Überlegungen eine Rolle spielen, die den Ausschlag gegen den Besuch eines Gymnasiums geben. Oft fehlen auch nötige Informationen, wenn etwa Sprachkenntnisse nicht ausreichend vorhanden sind oder schlicht das Bildungssystem nicht vertraut ist. Die Folge: In den Hörsälen der deutschen Universitäten sitzen noch immer mehrheitlich Studierende aus Akademikerhaushalten und ohne Migrationshintergrund. 

Welches Potenzial steckt in Elternbeteiligung?

Auch wenn der Einfluss der Eltern für den schulischen Erfolg von Kindern und Jugendlichen in diesem Sinne eine Bremse sein kann, liegt genau hier auch das Potenzial von Elternbeteiligung im schulischen Kontext. Denn das Verhalten von Eltern lässt sich – im Gegensatz zu Bildungsgrad, Beruf und Einkommen oder Sprachkenntnissen – mit vergleichsweise niedrigem Aufwand ändern. Und dies vor allem schneller als schulische Faktoren wie beispielsweise die Klassengröße. Konkret heißt das: Lehrkräfte und Schulen sollten und können direkt Maßnahmen ergreifen, um Eltern mehr zu beteiligen. Wenn sie dabei gezielt die Eltern einbeziehen, die bislang eher im Hintergrund bleiben, kann das zusätzlich helfen, Bildungsungleichheit abzubauen.

Welche Möglichkeiten haben Eltern, sich zu beteiligen?

Ob die Teilnahme am Elternabend, Hausaufgabenunterstützung, zusammen Vokabeln üben oder ein Museumsbesuch zum aktuellen Thema im Physikunterricht – Eltern haben grundsätzlich zahlreiche Möglichkeiten, sich am Schulleben ihrer Kinder zu beteiligen.

Drei Formen von Elternbeteiligung im schulischen Kontext lassen sich unterscheiden: Elternbeteiligung zu Hause, Elternbeteiligung in der Schule und bildungsbezogene Kommunikation. Letztere schließt alle Verhaltensweisen von Eltern ein, mit denen sie bildungsbezogene Inhalte, aber auch ihre Bildungserwartungen kommunizieren.

Welche Verhaltensweisen von Eltern zahlen sich besonders aus?

En gros profitieren alle Lernenden davon, wenn sich ihre Eltern in Sachen Bildung und Schule engagieren und wir sehen positive Auswirkungen auf ihre Leistung und Motivation.

„Engagieren sich Eltern vor Ort in der Schule, hat das durchweg einen guten Einfluss auf ihre Kinder.“

Prof. Dr. Doris Holzberger

Elternbeteiligung in der Schule zeigt ganz generell positive Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler. Besonders leistungsfördernd wirken mitbestimmende Tätigkeiten, wie etwa die Mitgliedschaft von Eltern in Entscheidungsgremien. Die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Eltern scheint dagegen nur wenig Einfluss auf die Leistung der Kinder und Jugendlichen zu haben. Unsere Forschungserkenntnisse zeigen: Wenn Eltern sich bei Klassen- oder Schulveranstaltungen einbringen, sehen wir bei den Kindern eine höhere Motivation. Dabei wissen wir allerdings noch nicht, inwieweit die Motivation der Schülerinnen und Schüler auch umgekehrt Auswirkungen auf das Engagement der Eltern hat. Sprich: Beteiligen sich die Eltern auch eher an den Schulveranstaltungen, wenn ihre Kinder zum Beispiel schon in der Theatergruppe oder beim Schulorchester spielen? Hier ist es notwendig, noch weiter zu forschen.

„Mit Unterstützung zu Hause können Eltern ihre Kinder besonders gut motivieren.“

Prof. Dr. Doris Holzberger

Einen Lernplatz bereitstellen oder zusammen für Prüfungen üben: Bei Elternbeteiligung zu Hause zeigen sich grundsätzlich zwar eher geringe Auswirkungen auf die Schulleistung, aber dafür bietet sie die Möglichkeit, Kinder und Jugendliche zu motivieren – indem Eltern etwa eine lernförderliche Umgebung und ihren Kindern Räume schaffen, um selbstständig zu arbeiten. Das sehen wir etwa bei der Hausaufgabenunterstützung: Einen guten Rahmen bereitzustellen und konstruktive Hilfestellung sind wesentlich sinnvoller als wenn Eltern die Erledigung der Hausaufgaben überwachen oder lediglich die Ergebnisse kontrollieren, denn Kontrolle kann Lernende sogar demotivieren.

Was ist wichtig bei der Hausaufgabenunterstützung?

Verhaltensweisen, die positive Effekte erzeugen können

  • Festlegen von Regeln, in welchem Zeitrahmen und an welchem Ort die Hausaufgaben zu erledigen sind
  • Klares Kommunizieren von Erwartungen bezüglich der Hausaufgabenanfertigung
  • Verstärken von erwünschtem Verhalten, um selbstreguliertes Lernen anzubahnen (etwa durch Loben)
  • Feedback über die Genauigkeit bei der Aufgabenbearbeitung geben
  • Anbieten von Hilfestellungen und Anleitungen zum Vorgehen
  • Ermutigung zur Entwicklung eigener Lösungswege und Ideen

Verhaltensweisen, die negative Effekte erzeugen können

  • Reines Überwachen der Hausaufgabenanfertigung
  • Kontrollieren der Hausaufgaben ausschließlich im Nachhinein

„Kommunikation über Bildungserwartungen ist der Schlüssel für ein gutes Selbstkonzept der Kinder.“

Prof. Dr. Doris Holzberger

Im Bereich der bildungsbezogenen Kommunikation hat das Engagement der Eltern die größten Effekte. Relevant für gute Leistungen ist nach unseren Erkenntnissen besonders die Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern. Gerade mit Jugendlichen können die Eltern gemeinsam Pläne für den weiteren Bildungsweg schmieden. Das kann die eigenen Bildungserwartungen der Schülerinnen und Schüler positiv beeinflussen und ihr Selbstkonzept stärken.

Wir sollten nicht vergessen, dass sich Schülerinnen und Schüler auch in verschiedenen Merkmalen unterscheiden. So steigt mit zunehmendem Alter beispielsweise das Bedürfnis nach Eigenständigkeit, was zu einer Verlagerung der Elternbeteiligung führt. Wir sehen auch, dass Kinder mit hohem sozioökonomischem Status insgesamt mehr von Elternbeteiligung profitieren – hier spielen insbesondere die eigenen Bildungserfahrungen der Eltern eine Rolle. Dagegen kann bei Kindern aus Familien mit niedrigerem sozioökonomischem Status Hausaufgabenunterstützung besonders gewinnbringend sein. Das zeigt sich auch bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund, wobei wir hier noch weitere Forschung benötigen, um klare Aussagen treffen zu können.

Was können Lehrkräfte und Schulleitungen tun?

Verständnis zeigen ist für Lehrkräfte das A und O, wenn es um Elternbeteiligung im schulischen Kontext geht. Wenn Eltern sich eher wenig engagieren, ist das nämlich nicht grundsätzlich mit mangelnder Bereitschaft gleichzusetzen. Gerade Eltern aus benachteiligten Familien schrecken oft aus verschiedenen Gründen vor dem Kontakt mit Schule und Lehrkräften zurück. Dabei können Diskriminierungserfahrungen, mangelnde Sprachkenntnisse, zeitliche Ressourcen oder schlicht kulturell bedingte Gewohnheiten eine Rolle spielen. Trotz der unterschiedlichen Möglichkeiten von Eltern, können Schulleitungen und Lehrkräfte aber die Bedingungen optimieren, um alle Eltern anzusprechen und mit einzubeziehen.  

Die fünf Erfolgsfaktoren für Elternbeteiligung

Kontinuität

  • Nicht auf Anlässe warten
  • Erstkontakt nutzen
  • Verschiedene formelle Kanäle verwenden
  • Alternative informelle Kanäle finden
  • Zeitplan transparent machen

Vertrauen

  • Gemeinsame Ziele betonen
  • Entscheidungswege transparent machen
  • Kommunikationsstrategien nutzen
  • Externes Fachpersonal hinzuziehen

Glaubwürdigkeit

  • Entscheidungen begründen
  • Back-up holen
  • Spielregeln festlegen
  • Fachkenntnis zeigen

Augenhöhe

  • Hierarchien vermeiden
  • Räume für informellen Austausch schaffen
  • Eltern mit ins Boot holen

Beteiligung der Schülerinnen und Schüler

  • Erst Schülerinnen und Schüler kennenlernen
  • Mit Schülerinnen, Schülern und Eltern gemeinsam sprechen
  • Kommunikationsanlässe transparent machen

Erfolgversprechende Beispiele für Elternbeteiligung

Viele staatlich geförderte Projekte nutzen bereits das Potential von Elternbeteiligung. Der Fokus liegt dabei oftmals auf Eltern benachteiligter Kinder, die von den Initiativen am meisten profitieren. So legt die vom Landesinstitut Hamburg geförderte Initiative Family Literacy (FLY) den Schwerpunkt beispielsweise auf Sprachbildung. In Baden-Württemberg bildet die Elternstiftung Baden-Württemberg außerdem Elternmentorinnen und Elternmentoren aus, auf die Eltern mit Migrationshintergrund in den verschiedenen Kommunen zugehen können. Finanziell gefördert wird die Stiftung auf Landesebene. Auch in Nordrhein-Westfalen bemüht sich das staatlich initiierte und geförderte FuN-Programm um die Teilhabe von Eltern benachteiligter Kinder. 
Die Projekte Stadtteilmütter und Rucksack Schule zeigen insbesondere, wie wichtig ehrenamtliches Engagement ist, damit Programme zur Förderung von Elternbeteiligung Erfolg haben. Sprachförderung und Teilhabe von Familien mit Migrationshintergrund ist der Kern beider Projekte. 

Zwei Best-Practices für gelungene Förderung von Elternbeteiligung

In Berlin Neukölln wurde 2006 das bundesweit erste Stadtteilmütterprojekt gestartet. Inzwischen beraten in ganz Deutschland Stadtteilmütter (und -väter) mit eigenem Migrationshintergrund andere Familien in verschiedenen Sprachen. In Form eines Peer-to-Peer-Ansatzes unterstützt und berät die Initiative zu Erziehungsfragen, Kindergesundheit und weiteren Themen rund um die Familie und das Familienleben. Sogenannte aufsuchende Elternarbeit ermöglicht es dabei auch, gezielt Eltern anzusprechen, die wenig zeitliche oder finanzielle Ressourcen haben.

Rucksack Schule blickt auf eine 20-jährige Erfolgsgeschichte zurück. Kern der Initiative ist die Ausbildung von Elternmentorinnen und Elternmentoren. Sie sprechen Eltern in ihrer Herkunftssprache an, stellen Materialien zur Verfügung und organisieren Gruppen mit Eltern gleicher Herkunft. Positive Effekte der Initiative auf Lese- und Sprachkompetenz der Kinder zeichnen sich in einer Evaluationsstudie von 2019 ab.

Grenzen und Perspektiven der Elternbeteiligung

Die Forschung zeigt: Elternbeteiligung kann Motivation und Leistung von Schülerinnen und Schüler fördern und wenn Schulen und Lehrkräfte hier die Möglichkeit zur aktiven Gestaltung nutzen, profitieren davon alle Lernenden. Der große Vorteil von Elternbeteiligung ist, dass Fördermaßnahmen relativ schnell umsetzbar sind und Erfolge zeigen; dergestalt, dass keine großen und langwierigen Umwälzungen des Schulsystems nötig sind. Natürlich müssen wir uns aber auch fragen: Wie viel Verantwortung soll überhaupt bei den Eltern liegen? Denn für den Abbau von Bildungsungleichheit kann Elternbeteiligung zwar ein Faktor sein, aber gleiche Bildungschancen hängen insbesondere von den Bedingungen des Schulsystems insgesamt ab. Elternbeteiligung allein kann also kein Wundermittel sein. Wenn wir von Elternbeteiligung sprechen, sollten wir alle und insbesondere die Politik außerdem nicht vergessen: Elternarbeit braucht Ressourcen und sie funktioniert, weil Eltern, Lehrkräfte und Schulleitungen sich engagieren. Sie entsteht aus der gesamten Schulfamilie heraus.