Wie können Schulen Resilienz fördern?

Resilienten Schülerinnen und Schülern gelingt es besser, mit Herausforderungen umzugehen. Dadurch sind sie im Leben erfolgreicher. Studien zeigen, dass Schulen dazu beitragen können.

Leistungsdruck, Pandemie, Kriege – Umfragen zur psychischen Gesundheit zeigen, dass diese Verhältnisse nicht spurlos an Kindern und Jugendlichen vorübergehen. Bildungsforschende wie Dr. Ramona Obermeier richten den Blick daher verstärkt auf Resilienz. Doch welche Faktoren spielen dabei im Schulkontext eine Rolle und wie können Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler unterstützen?

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass sich manche Schülerinnen und Schüler besser an Herausforderungen wie Distanzlernen und Kontaktbeschränkungen anpassen können als andere Schülerinnen und Schüler. Doch woran liegt das? In den vergangenen Jahren hat das Thema Resilienz in diesem Zusammenhang an Aufmerksamkeit gewonnen.

Was ist Resilienz?

Resilienz beschreibt die aktuelle und veränderliche Fähigkeit, sich widrigen Umständen und schwierigen Lebenssituationen erfolgreich anzupassen (Masten et al., 2021). Aktuelle Ansätze gehen davon aus, dass die Resilienzentwicklung ein Prozess ist, der sowohl mit individuellen Aspekten als auch mit Umwelteinflüssen zusammenhängt (Masten et al., 2021). Resilienz kann dabei sowohl auf individueller Ebene wirksam sein, da sie die Situationsbewertung und -bewältigung maßgeblich prägt, als auch auf System-Ebene.

Wann gelten Schulsysteme als resilient?

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert Schulsysteme als resilient, wenn diese das Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler und deren Wohlbefinden während der Pandemie aufrecht erhalten konnten. Gleichzeitig sorgten resiliente Schulsysteme dafür, dass sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler mit schwierigem sozioökonomischem Hintergrund gegenüber solchen mit besseren Voraussetzungen nicht eklatant verschlechterten. (OECD, 2023).

Bedeutsam ist Resilienz einerseits, weil sie sich positiv auf die Wahrnehmung und Bewertung von herausfordernden oder gar überfordernden Situationen auswirkt und das weitere Verhalten von Personen entsprechend beeinflusst. Andererseits kann Resilienz auch als Moderator-Variable verstanden werden (Masten et al., 2021): Den gleichen widrigen Bedingungen ausgesetzt, sind Personen mit höherer Resilienz eher in der Lage, positiv zu denken, positive Emotionen aufrecht zu erhalten und die Situation aktiv zu meistern als weniger resiliente Personen.

„Die Förderung der Resilienzentwicklung in der Schule ist ein effektiver Ansatz, um Gesundheit und Wohlbefinden aufrechtzuerhalten.“

Dr. Ramona Obermeier

Im Schulkontext bedeutet dies, dass Schülerinnen und Schüler mit höherer Resilienz Lernangebote im Unterricht effektiver nutzen können. Sie können sich besser auf Lernangebote einlassen und ihre Emotionen effektiver regulieren. Zudem scheinen sich herausfordernde Kontextbedingungen wie ein Distanzunterricht weniger stark auf den kognitiven Lernerfolg – wie zum Beispiel den Leistungszuwachs – sowie auf affektive Outcomes – unter anderem Wohlbefinden – auszuwirken. 

Darum gehört Resilienzförderung in die Schule

Eine der zentralen Aufgaben von Schulen ist es, Kinder und Jugendliche in einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Schulen spielen hierbei eine kompensatorische Rolle, indem sie alle Schülerinnen und Schüler unabhängig ihrer Herkunft erreichen und ihr Gesundheitsverhalten positiv beeinflussen können. Besonders für (bildungs-)benachteiligte Kinder und Jugendliche sind Schulen wichtig, da sie unter gewissen Bedingungen (hohe Unterrichtsqualität, positive Sozialbeziehungen und Ähnliches) familiäre Defizite ausgleichen können. Die Förderung der Resilienzentwicklung in der Schule ist daher ein effektiver Ansatz, um Gesundheit und Wohlbefinden aufrechtzuerhalten. Doch welche Faktoren gilt es dabei zu beachten?

Lernende, die an sich glauben sind erfolgreicher

Auf Individualebene bilden Selbstwirksamkeitserwartungen einen wichtigen förderlichen Aspekt der Resilienzentwicklung. Selbstwirksamkeitserwartungen beschreiben die subjektive Überzeugung, zielführende Handlungen erfolgversprechend durchzuführen und damit ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen (zum Beispiel Rönnau-Böse et al., 2022). Eine höhere (schulische) Selbstwirksamkeitserwartung wirkt sich positiv auf die Motivation und das Wohlbefinden aus. Schülerinnen und Schüler mit höherer (schulischer) Selbstwirksamkeitserwartung zeigen daher häufig eine höhere Anstrengungsbereitschaft und fühlen sich in der Schule wohler.

Welches Schulklima stärkt Schülerinnen und Schüler?

Im Umfeld der Schülerinnen und Schüler spielt die soziale Unterstützung durch Peers, Eltern und Lehrkräfte eine bedeutsame Rolle für eine erfolgreiche Anpassung an herausfordernde Gegebenheiten. Im schulischen Kontext stellen insbesondere Peers eine wichtige Instanz für soziale Unterstützung, Identifikation und Abgrenzung dar. Aber auch eine gute Beziehung zwischen Lernenden und Lehrkraft kann die Lernmotivation und die Selbstwirksamkeit steigern und das Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern verbessern (Diers, 2016). Zudem können Lehrkräfte förderlich auf die Beziehungen der Schülerinnen und Schüler untereinander einwirken und prosoziales Verhalten fördern, wovon die Lehrkraft wiederum selbst profitieren kann.

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So können Schulen Resilienz fördern

  1. Die Fortbildung von Lehrkräften ist ein entscheidender Schritt zur Stärkung ihrer professionellen Handlungskompetenz und zur Erhöhung des Bewusstseins für die Resilienzentwicklung. 
     
  2. Die Förderung positiver Peer-Beziehungen und des Zusammenhalts innerhalb der Klasse und der Schule ist von großer Bedeutung. Dies kann durch die Reduzierung des Leistungsdrucks, die Einführung alternativer Prüfungsformate und die Anwendung einer individuellen Bezugsnorm erreicht werden. Ein geringerer Leistungsdruck ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, in einer entspannte(re)n Atmosphäre zu lernen und sich auf ihre individuellen Stärken zu konzentrieren. Alternative Prüfungsformate bieten verschiedene Möglichkeiten, das Wissen und die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu bewerten, ohne sie dem traditionellen Prüfungsstress auszusetzen. Die Anwendung einer individuellen Bezugsnorm berücksichtigt die persönlichen Fortschritte und Leistungen der Schülerinnen und Schüler, anstatt sie ausschließlich miteinander zu vergleichen. 
     
  3. Die aktive Beziehungsarbeit der Lehrkräfte mit den Schülerinnen und Schülern sowie die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule und innerhalb des Kollegiums sind entscheidende Faktoren für die Resilienzentwicklung. Lehrkräfte sollten bewusst positive Beziehungen zu ihren Schülerinnen und Schülern aufbauen und diese pflegen, um ein vertrauensvolles und unterstützendes Lernumfeld zu schaffen. Diese Beziehungsarbeit stärkt das Gefühl der Zugehörigkeit und fördert das Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler.
     
  4. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Selbstwirksamkeitserwartungen der Schülerinnen und Schüler zu erhöhen. Dies kann durch die Etablierung eines positiven Fehlerklimas, die Individualisierung und Differenzierung der Lernmaterialien sowie die Schaffung vielfältiger Möglichkeiten zur Mitbestimmung und Selbstbestimmung erreicht werden. Ein positives Fehlerklima ermutigt Schülerinnen und Schüler, Fehler als natürliche Bestandteile des Lernprozesses zu betrachten. Die Individualisierung und Differenzierung der Lernmaterialien ermöglichen es, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler einzugehen.

Das Bewusstsein für die Bedeutung der Resilienzförderung in der Schule wächst. Eine gezielte Förderung der Resilienz bringt nicht nur den Schülerinnen und Schülern erhebliche Vorteile, sondern stärkt auch das gesamte Schulsystem. Alle Beteiligten profitieren von einer höheren Resilienz, die sich positiv auf den schulischen Alltag auswirkt und den Umgang mit herausfordernden Situationen im weiteren Lebensverlauf erleichtert (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2021).