Glücklich im Lehramt: Was man für zufriedene Lehrkräfte tun kann

Psychologin Gyde Wartenberg berichtet über ihre Metastudie zum Thema Arbeitszufriedenheit bei Lehrkräften und warum sie so wichtig ist.

Die berufliche Zufriedenheit von Lehrkräften hängt eng mit der Qualität des Unterrichts zusammen. Wie genau, das hat Psychologin Gyde Wartenberg vom IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik Kiel gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen jetzt in einer umfangreichen Meta-Analyse von 101 Studien untersucht, mit einer Gesamtstichprobengröße von gut 232.000 Lehrkräften. Über ihre Ergebnisse spricht sie im Interview.

Redaktion: Frau Wartenberg, Sie haben in Ihrer aktuellen Metastudie unter anderem nachgewiesen, dass eine hohe Arbeitszufriedenheit von Lehrkräften ihre berufliche Leistung positiv beeinflusst. So weit, so einleuchtend. Gibt es etwas in den Ergebnissen Ihrer Studie, dass Sie diesbezüglich überrascht hat?

Gyde Wartenberg: Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass die Arbeitszufriedenheit der Lehrkräfte mit ganz unterschiedlichen Aspekten ihres beruflichen Verhaltens zusammenhängt. Besonders beeindruckend waren für mich dabei die Befunde, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen den subjektiven Angaben der Lehrkräfte über ihre Zufriedenheit und den Angaben von Dritten – beispielsweise von Schülerinnen und Schülern oder auch externen beobachtenden Personen – zu ihrem Unterrichtsverhalten gibt. Das heißt, dass sich der Zusammenhang zwischen der Arbeitszufriedenheit von Lehrkräften und ihrer Unterrichtsqualität nicht nur für den Selbstbericht der Lehrkraft gezeigt hat, sondern auch in Studien, in denen Lernende den Unterricht bewerteten oder Unterrichtsbeobachtungen durchgeführt wurden. Die Interaktionen im Klassenzimmer, die auch für andere sichtbar sind, hängen also mit der Zufriedenheit der Lehrkräfte zusammen – je höher die Zufriedenheit, desto besser die Unterrichtsqualität. Hier besteht aber ein wechselseitiger Zusammenhang: Je höher die Unterrichtsqualität, also je reibungsloser und effektiver die Interaktionen zwischen Lehrkräften und Lernenden sind, desto zufriedener sind auch die Lehrkräfte.

Redaktion: Können Sie einen Überblick darüber geben, in welchen spezifischen Bereichen sich eine hohe Arbeitszufriedenheit von Lehrkräften wie auswirkt?

Wartenberg: Unsere Ergebnisse deuten auf Zusammenhänge zwischen der Zufriedenheit von Lehrkräften im Beruf und den drei zentralen Dimensionen des Unterrichts, also der emotionalen Unterstützung, der Klassenführung und der fachlichen Unterstützung, hin. Aber auch für die Motivation und Leistung der Schülerinnen und Schüler ergaben die Studien, die wir in unserer Meta-Analyse zusammengefasst haben, substanzielle Zusammenhänge. Das heißt, dass Lernende, deren Lehrkräfte eine höhere Zufriedenheit in ihrem Beruf berichteten, motivierter waren und auch bessere Leistungen erzielten. Das zeigte sich sowohl in den Noten als auch in standardisierten Leistungstests. Um dies zu erklären, wird unter anderem auch der Prozess der sogenannten emotionalen Ansteckung angenommen, das heißt, dass sich das positive Erleben der Berufssituation von Lehrkräften auf die Lernenden überträgt. Hier muss allerdings von einer wechselseitigen Wirkung ausgegangen werden. Das heißt, auch ein geringes Engagement oder häufige Unterrichtsstörungen seitens der Schülerschaft können als Stressoren wiederum maßgeblich das Wohlbefinden und die Zufriedenheit von Lehrkräften beeinflussen. Die Ergebnisse unserer Meta-Analyse deuten außerdem darauf hin, dass die Arbeitszufriedenheit von Lehrkräften auch mit der Häufigkeit krankheitsbedingter Fehlzeiten und Berufswechselintentionen assoziiert ist. Demnach denken zufriedene Lehrkräfte weniger über Berufswechsel nach und melden sich seltener krank.

Redaktion: Welche Faktoren beeinflussen denn die Arbeitszufriedenheit von Lehrkräften? Gibt es hier etwas, das besonders entscheidend wirkt?

Wartenberg: In empirischen Studien werden als zentrale Gründe für Unzufriedenheit im Lehramt von Lehrkräften eine hohe Arbeitszeitbelastung und die Zunahme von unterrichtsfremden Aufgaben berichtet. Gleichzeitig stellen die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern und das Unterrichten an sich die wichtigsten Gründe für die Zufriedenheit von Lehrkräften dar. Das ist nicht verwunderlich, denn ein zentrales Ziel von Lehrkräften besteht in der positiven Interaktion mit ihrer Klasse, also ein effektives Lernumfeld zu schaffen, um die Lernenden optimal in ihrer Entwicklung fördern zu können. Wenn das aufgrund von Arbeitsbedingungen, organisatorischen Aufgaben oder auch sozial-emotionalen Herausforderungen erschwert wird, kann das die Zufriedenheit entsprechend beeinträchtigen. Darüber hinaus spielt auch die berufliche Anerkennung eine ganz wichtige Rolle, also die Frage, ob man positive Rückmeldungen zu seinem beruflichen Verhalten bekommt. Das kann zum einen in der Schule passieren, etwa durch positive Interaktionen im Klassenzimmer oder positive Rückmeldungen im Kollegium oder durch die Schulleitung. Zum anderen kann es außerhalb der Schule durch gesellschaftliche Anerkennung geschehen. Ein weiterer Faktor ist die Einbettung im Kollegium. Hier werden insbesondere ein respektvolles Miteinander, kollegialer Austausch, fachliche Zusammenarbeit sowie sozial-emotionale Unterstützung untereinander als förderlich für die Arbeitszufriedenheit diskutiert.

„Unterstützungsangebote von Schulleitung und Schulorganisation können entscheidend dabei helfen, die Arbeitszufriedenheit von Lehrkräften zu verbessern.“

Gyde Wartenberg

Redaktion: Gibt es Unterschiede in der Bedeutung der Arbeitszufriedenheit für Lehrkräfte in verschiedenen Bildungskontexten oder für bestimmte Schülergruppen?

Wartenberg: Dies ist eine sehr interessante Frage, die wir leider in der Tiefe noch nicht untersuchen konnten, weil die Primärstudien, die wir berücksichtigt haben, nur selten weitere Merkmale der Schülerschaft berücksichtigt haben beziehungsweise die Messungen der Unterrichtsqualität methodisch zu unterschiedlich waren. Es zeigte sich jedoch in unserer international angelegten Analyse kein wesentlicher Unterschied für die gefundenen Zusammenhänge zwischen einzelnen Ländern, diese scheinen also im Wesentlichen recht unabhängig vom Bildungskontext zu sein. Aus anderen Studien wissen wir, dass es zum Beispiel nur geringe Unterschiede in der Zufriedenheit zwischen unterschiedlichen Schulformen gibt.

Redaktion: Welche Rolle spielen Schulleitung, Schulorganisation oder staatliche Bildungspolitik bei der Schaffung eines Umfelds, das die Arbeitszufriedenheit von Lehrkräften fördert?

Wartenberg: Wie angesprochen, besteht ein zentraler Grund für die Unzufriedenheit von Lehrkräften darin, nicht ausreichend Zeit und Ressourcen für den Unterricht und die Interaktionen mit den Schülerinnen und Schülern zu haben. Insbesondere mit Blick auf die Reduzierung der unterrichtsfernen Arbeitsbelastung beispielsweise durch Intensivierungskräfte oder pädagogisch-psychologisches Personal an den Schulen spielen bildungspolitische Entscheidungen eine große Rolle. Aber auch Schulleitungen können die Zufriedenheit ihrer Lehrkräfte fördern, indem sie etwa die räumliche und digitale Ausstattung der Schule bestmöglich organisieren und ein Schulklima schaffen, das zum einen das Autonomieerleben von Lehrkräften unterstützt, aber auch kollegiale Zusammenarbeit fördert und den Verwaltungsaufwand für Lehrkräfte so gering wie möglich hält, um mehr Zeit für das Unterrichten und die Arbeit mit den Kindern zu schaffen. In diesem Zusammenhang wäre auch eine Entwicklung von konkreten Konzepten und Abläufen bei spezifischen Herausforderungen hilfreich, die häufig im Schulalltag auftreten, etwa psychische Belastungen von Kindern, Lernschwierigkeiten oder Probleme in der Zusammenarbeit mit den Eltern. Solche Unterstützungsangebote von Schulleitung und Schulorganisation können entscheidend dabei helfen, die Arbeitszufriedenheit von Lehrkräften zu verbessern.

Redaktion: Gibt es praktische Maßnahmen, die Lehrkräfte selbst ergreifen können, um ihre Arbeitszufriedenheit zu verbessern?

Wartenberg: Ja, es gibt einige Ansätze, die auf die Förderung individueller Ressourcen von Lehrkräften abzielen, also Dinge, die Lehrkräfte auch selbst tun können, wenn sie begrenzten Einfluss auf die Rahmenbedingungen haben, damit es ihnen besser geht im Beruf. Sie zielen oft auf die Stärkung professioneller und sozial-emotionaler Kompetenzen ab. Dabei spielen Aspekte wie die Klassenführung, aber auch die Anwendung effektiver Strategien zur Emotionsregulierung und die Arbeitsorganisation eine zentrale Rolle. Das Lehramt ist ein sozial-emotionaler Beruf, der in der permanenten Interaktion mit den Schülerinnen und Schülern passiert, die selbst eine Vielzahl von Gefühlen mit in den Unterricht bringen. Daher ist nicht nur die fachliche Kompetenz und die Klassenführung, sondern auch die Emotionsarbeit ein zentraler Baustein dieser gut evaluierten Ansätze. Sie können in Fort- und Weiterbildungen verfolgt werden, sind aber auch bereits im Lehramtsstudium gut integrierbar.

Redaktion: Frau Wartenberg, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Zur Person

Gyde Wartenberg ist seit Mai 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin in der Abteilung Erziehungswissenschaft und Pädagogische Psychologie am IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik. In ihrer Forschung befasst sie sich mich mit dem Wohlbefinden und dem beruflichen Beanspruchungserleben von Lehrkräften. Gyde Wartenberg befasst sich außerdem mit Effekten sozial-emotionaler Interaktionen im Unterricht und der Frage, was Lehrkräfte brauchen, um gesund zu bleiben und positive Lernumgebungen zu gestalten.