Schulleitungen und Lehrkräfte brauchen mehr statistische Kompetenz

Prof. Dr. Stuart Kime plädiert für einen kritischen Umgang mit wissenschaftlichen Daten und fordert von Schulleitungen und Lehrkräften solide statistische Grundkenntnisse.

Erkenntnisse aus der Bildungsforschung bestehen zu einem großen Teil aus statistischen Daten. Diese können Schulleitungen und Lehrkräfte nützliche Informationen liefern – aber nur wenn sie richtig interpretiert werden. Um im Schulalltag gute Entscheidungen zu treffen, brauchen sie deshalb Kompetenz und ein grundlegendes Verständnis von statistischen Konzepten der Wissenschaft. 

Warum Nicolas Cage nichts mit Swimmingpools zu tun hat: Korrelation ist nicht Kausalität

Zwischen den Jahren 1999 und 2009 korrelierte die Anzahl der Menschen, die in den USA durch einen Sturz in einen Pool ertranken, mit der Anzahl der Filme, in denen der Schauspieler Nicolas Cage auftrat. Lässt sich daraus schließen, dass die Filme mit Nicolas Cage so schrecklich waren, dass sie Menschen dazu veranlassten, in einen Swimmingpool zu springen? Oder lässt sich daraus schließen, dass Nicolas Cage weitere Blockbuster produzierte, um die Bürgerinnen und Bürger der USA von ihren gefährlichen Swimmingpools abzulenken? Das Beispiel mag paradox klingen, weist jedoch auf ein bekanntes Problem bei der Interpretation von Statistiken hin. Es gibt tatsächlich eine statistisch signifikante Korrelation zwischen der Jahresproduktion von Nicolas Cage-Filmen und den Todesfällen durch Stürze in einen Swimmingpool. Und doch handelt es sich bei diesem Verhältnis um einen logischen Fehlschluss, zwischen zwei Ereignissen ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis erkennen zu wollen. Statistikerinnen und Statistiker warnen jedoch regelmäßig davor, eine bloße Korrelation mit einem ursächlichen Zusammenhang zu verwechseln, denn: Korrelation ist nicht Kausalität.

Das Problem von Korrelationen im Schulalltag

Statistische Korrelationen kommen in der Bildungsforschung ebenso häufig vor wie in den täglichen Entscheidungen, die Lehrkräfte und Schulleitungen treffen. Anstelle von nordamerikanischen Swimmingpools und Prominenten sei an dieser Stelle auf den Fall eines Schülers verwiesen, der sowohl häufig im Unterricht fehlt als auch schlechte Leistungen in Prüfungen erbringt. In diesem Beispiel sind die Anwesenheit und Leistung des Schülers negativ korreliert (hohe Abwesenheit korreliert mit geringer Leistung). Was könnte eine Lehrkraft oder Schulleitung aus dieser Korrelation ableiten? Welche der folgenden plausiblen Schlussfolgerungen ist zutreffend?

  1. Das Fehlen in der Schule wirkt sich negativ auf die Prüfungsleistungen des Schülers aus.
  2. Die schlechten Noten des Schülers wirken sich auf die Anwesenheit des Schülers in der Schule aus.
  3. Sowohl die Anwesenheit des Schülers als auch seine Prüfungsleistungen werden durch einen dritten Faktor beeinflusst, zum Beispiel Transportprobleme auf dem Weg zur Schule.

Eine Lehrkraft oder Schulleitung könnte auf jeden dieser drei aufgeführten Punkte schließen – und genau darin liegt das Problem. Ohne weitere Informationen, mit denen sich eine der oben genannten Hypothesen widerlegen lässt, haben Pädagoginnen und Pädagogen lediglich Hinweise auf zwei Ereignisse, die miteinander in Zusammenhang zu stehen scheinen. Auf dieser Basis lassen sich nur bedingt Entscheidungen treffen oder gar Maßnahmen für Interventionen ergreifen.

Wie Korrelationen die Aus- und Weiterbildung von Schulleitungen beeinflussen

Gleiches gilt für die Aus- und Weiterbildung von Schulleitungen. Derzeit existieren zahlreiche Abhandlungen, Zeitschriften und Bücher, die Behauptungen über Eigenschaften und Verhaltensweisen von effektiven Führungskräften aufstellen und entsprechende Ratschläge an die Hand geben. Auch ist die Ausbildung von Schulleitern ein umfangreiches Geschäft, das in vielen Ländern mit erheblichen staatlichen und privaten Mitteln gefördert wird. Es scheint daher angebracht, die Frage nach der Stärke der Evidenzbasis zu stellen, auf die sich diese Ausbildung stützt: Wie viel weiß die Forschung tatsächlich darüber, was eine gute Schulleitung ausmacht? Oder wie Schulleitungen in ihren Aufgaben unterstützt werden können?

„Wir müssen die Grenzen von Korrelationen verstehen und sie nicht als etwas anderes interpretieren als das, was sie sind.“

Prof. Dr. Stuart Kime

Zur Beantwortung dieser Frage ist wiederum das Verständnis statistischer Korrelationen entscheidend. Denn eine kritische Durchsicht der verfügbaren Forschungsergebnisse kommt zu dem Schluss, dass ein Großteil der scheinbaren Eindeutigkeit, die in solchen Veröffentlichungen vermittelt wird, verloren geht. Aus Forschungssicht können wir nicht behaupten, dass die Erkenntnisse zeigen, wie Schulleitungen am besten ausgewählt und ausgebildet werden sollten. Die Nachweise – zumeist handelt es sich hierbei um Korrelationen – enthalten eine Fülle von Ratschlägen, die oft nicht spezifisch genug sind, um befolgt werden zu können. Häufig hängt der Erfolg von anderen (nicht immer genannten) Annahmen oder Bedingungen ab oder die Erkenntnisse sind nicht auf den spezifischen Kontext einer einzelnen Führungskraft zugeschnitten. In den Fällen, in denen spezifische, durchführbare und angemessene Maßnahmen identifiziert werden können, scheint es dagegen selten starke kausale Beweise für den Nutzen einer Maßnahme zu geben. Beinahe alle Forschungsarbeiten in diesem Bereich sind korrelativ und deskriptiv. Ohne Beweise, wie sie zum Beispiel in randomisierten kontrollierten Studien erbracht werden können, müssen wir die Grenzen von Korrelationen verstehen und sie nicht als etwas anderes interpretieren als das, was sie sind.

Wie statistisches Wissen zu besseren Entscheidungen führen kann

Das heißt jedoch nicht, dass Forschungserkenntnisse nicht belastbar sind oder die Aus- und Weiterbildung von Schulleitungen wenig effektiv. Zum einen arbeiten Forscherinnen und Forscher stetig daran, belastbare Erkenntnisse zu gewinnen, damit Schulleitungen und Lehrkräfte bessere Entscheidungen treffen können, um ihre Schülerinnen und Schüler bestmöglich zu unterstützen. Dazu gehört auch, dass in der Forschung standardmäßig sogenannte Signifikanztests durchgeführt werden, um Scheinkorrelationen auszuschließen. Zum anderen werden Lehrkräfte und Schulleitungen, die darin ausgebildet werden, Korrelationen und kausale Behauptungen in Forschungsergebnissen richtig zu interpretieren, selbst zu anspruchsvollen und sachkundigen Nutzerinnen und Nutzern von Forschungsergebnissen. Im Hinblick auf das umfassende Ziel, das Lernen für Schülerinnen und Schüler zu verbessern, ist eine solche Zusammenarbeit äußerst wichtig. Ein gemeinsames Verständnis der grundlegenden statistischen Konzepte, die in der Bildungsforschung immer wieder auftauchen, kann die Entscheidungen von Schulleitungen, die einen direkten Einfluss auf die Schülerinnen und Schüler in den Schulen haben, möglicherweise tatsächlich positiv beeinflussen.

„Wenn Schulleitungen und Lehrkräfte in der Lage sind, Korrelationen zu erkennen und zu verstehen, könnte man sie als eine Art "Schutzfaktor" betrachten, der das Risiko verringert, suboptimale Entscheidungen zu treffen.“

Prof. Dr. Stuart Kime

Korrelationen gibt es überall – in der Forschung und in den Schulen. Wenn Schulleitungen und Lehrkräfte in der Lage sind, diese zu erkennen und zu verstehen, was sie bedeuten (und was sie nicht bedeuten), könnte man sie als eine Art "Schutzfaktor" betrachten, der das Risiko verringert, suboptimale Entscheidungen zu treffen und unangemessene – und manchmal verschwenderische – Maßnahmen zu ergreifen.

Ich kann Ihnen keine stichhaltigen Beweise dafür vorlegen, dass Lehrkräfte und Schulleitungen, die Korrelationen (und den Unterschied zwischen Korrelationen und Kausalität) erkennen und verstehen, bessere Entscheidungen treffen. Aber es scheint logisch, dass ein solches Wissen helfen kann, die Informationen, mit denen wir tagtäglich in Schulen und Bildungssystemen zu tun haben, sinnvoller, angemessener und effizienter zu nutzen.

Aus dem Englischen übersetzt von Ann-Kathrin Bielang (Redaktion Online-Magazin schulmanagement).