Schulleitungen: Großes Vertrauen in Lehrkräfte, aber weniger in die Schulaufsicht
Wie bewerten Schulleitungen ihre Arbeitsbedingungen? Damit beschäftigt sich die neue Studie der Wübben Stiftung Bildung.
Wie genau sieht heute die Arbeit als Schulleitung aus? Was macht den Job attraktiv, motivierend, was schwierig und herausfordernd? Das hat der „Schulleitungsmonitor Deutschland" der Wübben Stiftung Bildung jetzt genauer ausgeleuchtet. Im Rahmen der Studie wurden 2022 insgesamt 1007 Schulleitungen an allgemeinbildenden Schulen aller Schulformen in allen Bundesländern befragt.
Eins ist sonnenklar: Schulleiterin oder Schulleiter zu sein ist kein Job zum Füße hochlegen. Die Arbeitsbelastung ist enorm hoch, wie im Ergebnis der neuen Studie der Wübben Stiftung Bildung deutlich wird: 40 Prozent der Befragten arbeiten mehr als 50 Stunden pro Woche, wobei über die Hälfte (57 Prozent) ihr Arbeitstempo als belastend empfindet. Hinzukommt, dass mehr als 75 Prozent der Befragten angeben, oft oder sehr oft auf Pausen zu verzichten, länger als vertraglich vereinbart zu arbeiten und auch in ihrer Freizeit für Schülerinnen und Schüler sowie Eltern erreichbar zu sein. Fast die Hälfte (43 Prozent) hat nach eigenen Aussagen in den vergangenen Monaten zugunsten der Arbeit oft oder sehr oft auf genügend Schlaf verzichtet.
Für manche ist die Belastung zu hoch: Ein signifikanter Anteil der Schulleitungen (knapp jede/r fünfte) denkt darüber nach, ihre/seine Schule zu verlassen, sobald sich eine bessere Möglichkeit bietet. Sechs Prozent planen sogar, ihre Schule so schnell wie möglich zu verlassen. Dieser Anteil an wechselwilligen Schulleitungen ist im Vergleich zu einer vorherigen Studie aus dem Jahr 2019 gestiegen. Zusammengenommen besteht die Möglichkeit, dass rund ein Viertel der Befragten ihrer aktuellen Schule in mittelbarer Zukunft den Rücken kehren und zumindest ein Teil davon vermutlich auch das Schulsystem insgesamt verlassen wird. Trotz der Belastungssituation gibt aber auch gut die Hälfte der Schulleitungen (52 Prozent) an, so lange wie möglich an der aktuellen Schule bleiben zu wollen.
Belastung und Wechselwille haben vermutlich auch damit zu tun, dass fast ein Viertel der befragten Schulleitungen (23 Prozent) ihre Schule als einen sozialen Brennpunkt charakterisieren – sie sehen sich also mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, weil ihr Schulbezirk ein erhöhtes Armutsrisiko, begrenzte Bildungsressourcen oder eine geringere soziale Mobilität aufweist.
Weniger Vertrauen in die Schulverwaltung
Ein alarmierender Befund der Studie: Die Schulleitungen deuten darauf hin, dass sie ihre Arbeit von der Verwaltungsebene unzureichend unterstützt sehen. In den vergangenen drei Jahren ist das Vertrauen der Schulleitungen in die Bildungsadministration, insbesondere die Schulaufsicht, stetig gesunken. 40 Prozent der Befragten geben sogar explizit an, dass es ihnen an Vertrauen in die handelnden Personen der Bildungsadministration mangelt.
Dagegen haben die Schulleitungen ein hohes Vertrauen in ihre Mitarbeitenden. Die große Mehrheit schätzt ihre Lehrkräfte als kompetent, ehrlich, zuverlässig und einsatzbereit ein. Sich selbst halten die Schulleitungen für kooperativ, lösungsorientiert und offen für Partizipation. Viele geben an, für Innovationen aufgeschlossen zu sein und an das Innovationspotenzial ihrer Schule zu glauben. Ein lernzentrierter Führungsstil ist für sie wichtig.
Professionalisierung auf eigene Faust und im Austausch
Wie bilden sich Schulleitungen aus und weiter? Laut Studie findet die Professionalisierung der Schulleitungen hauptsächlich informell und individuell statt. Der Austausch mit anderen Schulleitungen, das Lesen relevanter Literatur und die Teilnahme an Netzwerken sind wichtige Informationsquellen. Formale Qualifizierungsangebote, insbesondere von Hochschulen, werden dagegen weniger genutzt. Lediglich etwas mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) hat eine formale Qualifikation an einem Landesinstitut erworben.
Die Schulleitungen empfinden Fortbildungen als besonders wirkungsvoll, wenn sie die Möglichkeit bieten, sich mit anderen auszutauschen, praxisnahe und anwendbare Inhalte aufgreifen und Raum zur Reflexion des eigenen Handelns lassen. Thematisch interessieren sich Schulleitungen auf Fortbildungen vor allem für verschiedene Aspekte von Schulentwicklung, für „Blicke über den Tellerrand“, also zum Beispiel auf Schulen mit ungewöhnlichen Herangehensweisen. Die Befragten geben an, dass sie auch gern von einem Perspektivwechsel profitieren, indem sie Einblicke in die Führungsarbeit anderer Organisationen, wie Unternehmen, erhalten. Sie schätzen auch Fortbildungen zu aktuellen Themen wie der digitalen Transformation. Einige der Befragten betonen zudem, dass sie Fortbildungen, die ihnen Kenntnisse über relevante rechtliche Aspekte vermitteln, besonders bereichernd finden.
Treiber, aber nicht unbedingt Experten in Sachen Digitalisierung
Beim Thema Digitalisierung sind Schulleitungen eine der treibenden Kräfte. Sie spielen eine wichtige Rolle, indem sie digitale Medien nutzen und damit sowohl als Vorbilder für Lehrkräfte dienen als auch Impulse für eine kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit digitalen Medien geben können. Eine große Mehrheit (88 Prozent) der befragten Schulleitungen bestätigt, dass sie den Lehrkräften Hilfestellungen anbieten, wenn diese Schwierigkeiten mit dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht haben. 80 Prozent der Befragten geben an, dass sie neue Unterrichtsmethoden mit digitalen Medien in der Schule thematisieren. Allerdings: Etwa die Hälfte der Befragten (49 Prozent) stimmt der Aussage gar nicht oder eher nicht zu, wonach sie selbst im Kollegium den Ruf genießen, eine Expertin oder ein Experte für guten Unterricht mit digitalen Medien zu sein. Insgesamt zeigt sich eine große Aufmerksamkeit für Themen der Digitalisierung im Unterricht.
Die befragten Schulleitungen nehmen ihre Führungsrolle an und erleben sich in hohem Maße als selbstwirksam. 83 Prozent der befragten Schulleitungen stimmen den Aussagen eher oder voll zu, dass sie Innovationen auch gegenüber skeptischen Lehrkräften durchsetzen können und dass sie an das starke Innovationspotenzial der Schule glauben, mit dem auch unter widrigen Umständen Neuerungen durchgesetzt werden können. Die große Mehrheit gibt zudem an, die Lehrkräfte an der Schule für neue Projekte begeistern zu können (92 Prozent). Sie vertrauen zudem darauf, dass an der Schule gemeinsam pädagogische Projekte umgesetzt werden können, auch wenn Schwierigkeiten auftreten (93 Prozent).
Erwünscht: Mehr Personal, mehr Entlastung, bessere Ausbildung
Und was wünschen sich die Schulleitungen? 38 Prozent der Befragten nennen hier mehr Ressourcen, besonders im Bezug auf die personelle Ausstattung: Etwas weniger als ein Drittel (27 Prozent) aller gemachten Empfehlungen beinhalten eine bessere Personalausstattung als einen zentralen Punkt, um Schule zu verbessern. Die häufigen Nennungen unterstreichen die Brisanz des Lehrkräftemangels.
24 Prozent der Empfehlungen lassen sich unter der Forderung „Schulleitung stärken" summieren. Dies umfasst Aspekte wie die Reduzierung der Arbeitsbelastung, mehr Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit, weniger bürokratische Aufgaben und mehr zeitliche Ressourcen für Führungsaufgaben. Schulleitungen erhoffen sich auch eine Entlastung durch die Delegation von administrativen Aufgaben und die Nutzung von IT-Support-Strukturen. Die vorhandene Autonomie der Schulleitungen wird überwiegend positiv bewertet aber gleichzeitig wird auch der Wunsch geäußert , die Gestaltungsspielräume auszuweiten.
Optimierungsbedarf reklamieren viele Befragte auch beim Thema Professionalisierung. Sie sehen Potenzial in einem angepassten Studium und Referendariat sowie einer erweiterten Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften mit klareren Steuerungsmöglichkeiten für Schulleitungen, um die Schule qualitativ zu verbessern.