Lernhindernis Pandemie

Lernstandserhebungen zeigen Kompetenzeinbußen

Zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie wurden weltweit die Schulen für mehrere Wochen, teils für Monate geschlossen. Obgleich oftmals verschiedene Formen von Fernunterricht stattfanden, reduzierte sich die Lernzeit für die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler deutlich (Helm et al., 2021). 

Entsprechend war ein negativer Effekt der Pandemie auf die Schulleistung zu erwarten, der nach der ersten Welle auch empirisch belegt wurde (Zierer, 2021). Dazu wurden Lernverläufe vor und nach der ersten Welle verglichen (Engzell et al., 2021). Schülerinnen und Schüler erzielten im Sommer 2020 im Schnitt schwächere Leistungen in Lesen und Mathematik als in den (pandemiefreien) Vorjahren. Die Lernrückstände deuten darauf hin, dass während der Schulschließungen nur halb so viel gelernt wurde wie sonst (Schult et al., 2021). Aktuelle Befunde aus den USA und auch aus Hamburg zeigen, dass dieser Trend sich 2021 fortsetzt und besonders sozial schwache Schulen trifft (Lewis et al., 2021). 

Wie werden Lerndefizite festgestellt?

Die Bildungsforschung bietet verschiedene Diagnoseinstrumente, um Auswirkungen der Pandemie auf schulische Leistungen zu untersuchen. Standardisierte Tests spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie ermöglichen zuverlässige Vergleiche mit Vor-Pandemie-Leistungen, so denn ein entsprechendes Bildungsmonitoring vorhanden ist. Beispielsweise untersuchen Baden-Württemberg und Hamburg jedes Jahr systematisch die schulischen Kompetenzen zu Beginn der 5. Klasse. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, dass Schülerinnen und Schüler wiederholt kurze Online-Assessments etwa am Tablet durchführen. Dies geschieht selbstständig und liefert Feedback, das sich positiv auf den Lernerfolg auswirken kann. Während die Schulen geschlossen waren, kamen solche formativen Instrumente vermehrt zum Einsatz (Spitzer & Musslick, 2021).

„Die Lernrückstände deuten darauf hin, dass während der Schulschließungen nur halb so viel gelernt wurde wie sonst.“

Dr. Johannes Schult

Wozu sollen Lernstände erfasst werden?

Mit Hilfe von landesweit verpflichtenden Erhebungen können Pandemieeffekte auf der Systemebene abgeschätzt werden. Zugleich liefern die Lernstandserhebungen den Lehrkräften wichtige Hinweise für ihr pädagogisches Handeln. So kann an die Lernstandsdiagnose beispielsweise eine passgenaue Förderung anknüpfen (Fischer et al., 2017). Lernstandserhebungen dienen neben der Erfassung des Ist-Zustands also auch als Ansatzpunkt für die Bewältigung der Pandemiefolgen an Schulen. Besonders betroffene Gruppen können in diesem Rahmen identifiziert und gezielt unterstützt werden. Die Standortbestimmung ist ein Ausgangspunkt für eine nachhaltige datengestützte Schulentwicklung. Dabei ist es wichtig, nicht nur Defizite zu betonen, sondern auch die enormen Anstrengungen aller Beteiligten zu würdigen. Schulleitungen, Lehrkräfte und Familien haben trotz der widrigen Umstände oft auf vielfältige Art und Weise Lernen ohne Präsenzunterricht ermöglicht.

Wie können Lernrückstände aufgeholt werden?

Das umfangreiche Bund-Länder-Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ soll nun denen helfen, deren Bildungserfolg besonders stark gefährdet ist. Im Fokus stehen dabei die Übergänge im Bildungsverlauf, die Sicherung von Basiskompetenzen sowie die Förderung von überfachlichen und sozial-emotionalen Kompetenzen (StäWiKo, 2021). In Deutschland wird das föderale Schulsystem weiterhin teils unterschiedliche Antworten auf die Herausforderungen der Pandemie geben. Wie groß genau die Lernrückstände zu Beginn des aktuellen Schuljahres sind, wie sie mit dem sozialen Umfeld der Schule zusammenhängen und wie sie sich entwickeln, werden die laufenden Lernstandserhebungen zumindest für ausgewählte Kompetenzbereiche und Klassenstufen zeigen.