Mehr Praxis in der Lehrkräfteausbildung durch Classroom-Management-Training

Bildungsforscherin Dr. Gesa Uhde berichtet über ihre Studie zur Effektivität von verschiedenen Lehrformaten des Classroom-Management-Trainings.

Dr. Gesa Uhde berichtet über ihre Studie zum Classroom-Management-Training (CMT), das im Rahmen der bundesweiten „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von der TU Braunschweig konzipiert wurde. Die Studierenden erproben hierbei geeignete Verhaltensstrategien in der Praxis, um sich im späteren Berufsalltag gut gegenüber den Schülerinnen und Schülern behaupten zu können.

Redaktion: Frau Uhde, was ist das Classroom-Management-Training (im Folgenden mit CMT abgekürzt) - und warum ist das für angehende Lehrkräfte wichtig?

Dr. Gesa Uhde: Wir setzen mit dem CMT im Bachelor-Studium unmittelbar vor dem Schulpraktikum an – also kurz bevor Studierende erstmals „in die Praxis gehen“. Wir halten diesen Zeitpunkt für geeignet, weil sich angehende Lehrkräfte häufig unsicher fühlen, wenn sie zum ersten Mal vor einer Klasse stehen. Dies zeigen nicht nur unsere eigenen Beobachtungen, sondern auch entsprechende Untersuchungen 

„Angehende Lehrkräfte fragen sich: Wie bekomme ich die Klasse in den Griff?“

Dr. Gesa Uhde

Angehende Lehrkräfte fragen sich: Wie bekomme ich die Klasse in den Griff? Wie kann ich erreichen, dass die Schülerinnen und Schüler sich an Regeln halten und auf mich hören? Was mache ich, wenn es zu Störungen des Unterrichts kommt? Diese Fragen sind oft belastender für sie als die Frage, ob sie etwas fachlich gut erklären können – und dies auch langfristig: Ein entsprechendes Belastungserleben bzw. entsprechende Unsicherheiten und Probleme verschwinden oft auch im späteren Berufsleben als Lehrkraft nicht einfach so „mit der Zeit“, sondern sie bleiben häufig über viele Jahre hinweg bestehen und können auch zum Burnout führen.
Vor diesem Hintergrund – also auch mit dem Ziel der Burnout-Prävention – ist unser Classroom Management Training (CMT) entstanden. Es soll die Studierenden möglichst früh gut auf die Lehrpraxis vorbereiten.

Redaktion: Welche Ziele und Elemente stehen dabei im Vordergrund?

Uhde: Wir haben uns bei der Entwicklung des CMT auf Elemente konzentriert, die in den ersten Praxisphasen für angehende Lehrkräfte in Bezug auf das Classroom-Management relevant sind, insbesondere:

  • Störungsprävention
  • Umgang mit Unterrichtsstörungen
  • Wie formuliere ich Instruktionen angemessen?
  • Wie kann ich Übergänge zwischen verschiedenen Arbeitsphasen oder Sozialformen möglichst störungsarm gestalten?
  • Die Lehrer-Schüler-Beziehung als Basis für all das, was im Unterricht passiert bzw. was zum Classroom-Management im weitesten Sinne gehört

Ein effektives Classroom Management ist dabei nicht nur für angehende und bereits praktizierende Lehrkräfte als Ressource für die eigene Gesundheit entscheidend, sondern es ist auch für die Schülerinnen und Schüler sehr wichtig: Sie verfügen durch ein effektives CM über mehr aktive Lernzeit und ihre Lernleistungen können dadurch gesteigert werden. Es gibt weniger Störungen im Unterricht und dadurch auch insgesamt eine angenehmere (Lern-)Atmosphäre in der Klasse.

Wir verstehen dieses Training also einerseits als Vorbereitung für die Praxis – für den Moment, in dem die Lehramt-Studierenden zum ersten Mal eine Klasse unterrichten – andererseits aber auch als konkrete Unterstützung und somit als einen echten „Schutzfaktor“ in Zusammenhang mit dem Belastungserleben der Lehrkräfte. Mit dem CMT und seiner direkten Verbindung zur ersten Praxisphase möchten wir schließlich auch unseren Beitrag zu einer nachhaltigen und effektiven Lehrkräfteausbildung leisten.

Redaktion: Wie läuft das Classroom-Management-Training ab?

Uhde: Es handelt sich um ein kognitiv-behaviorales Training mit kleinen Gruppen und viel Praxis: in den drei je fünfstündigen Sitzungen wird sehr viel mit Rollenspielen und Videofeedback an alltagsnahen Beispielsituationen gearbeitet. Dadurch soll einerseits ein sinnvolles Lehrkräfte-Verhalten geschult werden, andererseits arbeiten wir aber auch viel an den Kognitionen.

Redaktion: In welcher Form wurde das CMT an der TU Braunschweig etabliert?

Uhde: Wir haben dieses Training im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ innerhalb des Teilprojektes „Kompetenzorientierte Beratungs- und Begleitstrukturen (KoBB)" entwickelt und evaluiert. Aufgrund der guten Evaluationsergebnisse wurde das CMT in der Lehrkräfteausbildung an der Technischen Universität Braunschweig schließlich als Pflichtelement verstetigt und akkreditiert.

Alle Lehramts-Studierenden in Braunschweig durchlaufen dieses Training, bevor sie am sechswöchigen Schulpraktikum im Bachelor teilnehmen. Auch die Begleitstruktur während des Praktikums wurde daran angepasst: Die beiden Begleitseminarsitzungen, die von den Studierenden während des Praktikums zu besuchen sind, beziehen sich immer wieder auf die Inhalte, die im CMT gelernt wurden.

Redaktion: Welche Erkenntnisse hat Ihre Studie darüber hinaus erbracht – insbesondere auch in Bezug auf die Formate des Trainings?

Uhde: Ursprünglich war das Training als Präsenzveranstaltung konzipiert und wurde zunächst mit einem Online-Literaturkurs zum Classroom-Management verglichen. Die Corona-Pandemie hat uns dann jedoch dazu gezwungen, auch ein Hybrid-Format zu entwickeln. Dabei hat unsere Untersuchung in Bezug auf das selbst eingeschätzte Wissen zum Classroom-Management und den selbsteingeschätzten CM-Kompetenzen sowie zur Selbstwirksamkeitserwartung nach Besuch des CMT gezeigt: Alle drei möglichen Lehrformate – reine Präsenzveranstaltung, reiner Online-Literaturkurs und Hybrid-Format – sind grundsätzlich erfolgreich beziehungsweise wirksam.

Aber das Präsenztrainingsformat war in vielen untersuchten Bereichen statistisch gesehen effektiver als die anderen beiden Formate, insbesondere auch in Bezug auf die Steigerung der Selbstwirksamkeitserwartung, was zum Beispiel auch durch die Möglichkeit zur sogenannten „Mastery Experience“ bedingt ist. Das Hybrid-Training erwies sich zudem in vielen Bereichen als wirksamer als das reine Online-Format.

Auch unabhängig von statistischen Werten ist es nachvollziehbar, dass das Training des Classroom-Managements aufgrund seiner Praxisbezogenheit in der Präsenzsituation am authentischsten ist. Zwar lassen sich Wissensinhalte auch online gut vermitteln, wenn es jedoch beispielsweise um die Kompetenz geht, einen Klassenraum als Ganzes im Blick zu haben oder zu üben, wie man bei Störungen erfolgreich interveniert, dann lassen sich diese Situationen und Handlungen online nicht gut simulieren. Die Qualität der Erfahrung ist da in einer Präsenzveranstaltung mit konkreten Praxisübungen einfach deutlich besser.

„Das CMT ist ein gut fundiertes Training, es sollte zu einem festen Baustein in der Lehrkräfteausbildung werden.“

Dr. Gesa Uhde

Redaktion: Welche Forderungen sollten aus den Ergebnissen der Studie heraus an die Universitäten bzw. die Lehrkräfteausbildung gestellt werden?

Uhde: Ein Classroom-Management-Training sollte zu einem festen Bestandteil der universitären Lehramtsausbildung in Deutschland werden – und zwar als Teil einer kohärenten, also inhaltlich aufeinander bezogenen Begleitstruktur zu den Schulpraktika. Es ist zwar mit einem gewissen Ressourcen-Aufwand verbunden, die Wirksamkeit ist jedoch gut belegt und die angehenden Lehrkräfte profitieren auch langfristig davon, wie wir aus Rückmeldungen von Masterstudierenden wissen. Dadurch laufen sie später weniger Gefahr, in ihrem Berufsalltag unter Stress zu geraten und auszubrennen.

Die Anbindung an das Schulpraktikum als Teil des Lehramtsstudiums ist von Vorteil, weil das die Möglichkeit bietet, Theorie und Praxis zu verknüpfen – was ja immer wieder gefordert wird. Das theoretische Wissen kann in der Praxis erprobt werden und es wird auf diese Weise dem Praxis-Schock entgegengewirkt. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Das CMT ist ein gut fundiertes Training, es sollte zu einem festen Baustein in der Lehrkräfteausbildung werden.

Redaktion: Frau Doktorin Uhde, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Zur Person

Dr. Gesa Uhde ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pädagogische Psychologie der TU Braunschweig mit Schwerpunkt: Soziale und berufliche Kompetenzen (Verhaltenstrainings für Studierende und andere Zielgruppen). Darüber hinaus ist sie Verantwortliche für die Organisation und Durchführung des CMT und Leiterin der Schulung zur Trainerin/ zum Trainer für Classroom-Management.